Brüssel:Flughafen im Testbetrieb

Brüssel: Polizisten und Soldaten kontrollieren Flughafen-Angestellte am Eingang des Brüsseler Airports.

Polizisten und Soldaten kontrollieren Flughafen-Angestellte am Eingang des Brüsseler Airports.

(Foto: John Thys/AFP)

Bald sollen wieder mehr Starts möglich sein, der bei dem Anschlag beschädigte Gebäudeteil wird umgangen. Der dritte Attentäter ist weiter flüchtig.

Von Thomas Kirchner und Oliver Meiler, Brüssel/Rom

Der Flughafen in Brüssel wird vermutlich im Lauf der Woche zumindest teilweise wieder öffnen. Nach einem Test am Dienstag könnte ein Fünftel des Betriebs eventuell schon an diesem Mittwoch anlaufen, sagte eine Sprecherin des Flughafens. Am 22. März waren in der Abflughalle zwei Bomben explodiert. Der beschädigte Gebäudeteil wird nun mit einer Behelfskonstruktion umgangen. Bei dem Test wurden Sicherheit und Feuerschutz sowie Gepäckabfertigung und Beschilderung geprüft. Wie die Koordinierungsstelle des Brüsseler Flughafens, BSC, mitteilte, erhielten zunächst nur einige wenige Flüge von Brussels Airlines, einer Lufthansa-Tochter, Starterlaubnis. Sobald die Kapazität hochgefahren werden könne, könnten andere Fluggesellschaften ihre Flugpläne einreichen.

Weiter flüchtig ist der dritte Flughafen-Attentäter, der auf einem Überwachungsbild einen Hut trug. Der Anwalt des Journalisten Fayçal C. berichtete, sein Mandant habe ein Alibi. Der Taxifahrer, der die Täter zum Flughafen fuhr, glaubte, C. auf dem Bild erkannt zu haben. Dieser war daraufhin festgenommen, am Montag aber freigelassen worden. Es gebe keine DNA-Proben, die ihn mit dem Tatort in Verbindung brächten, sagte der Anwalt. Die Anklage wegen "terroristischen Mordes" bleibe zwar formell bestehen, aber wohl nicht mehr lange. C. hatte jegliche Aussage verweigert. Die Behörden halten ihn für "radikalisiert", laut Zeugen half er "radikalen Bewegungen" bei der Rekrutierung.

Der sozialistische Kommunalpolitiker Jamal Ikazban aus Molenbeek warnte am Dienstag, Jugendliche in seinem Stadtteil seien weiterhin "dschihadistischer Propaganda" ausgesetzt. Die Polizei müsse dagegen vorgehen. Als Beispiel nannte er eine SMS, in der es hieß: "Mein Bruder, warum folgst du uns nicht in den Kampf gegen die Westler? Triff die richtige Wahl in deinem Leben."

In Belgien wird nun zunehmend über das Versagen von Polizei und Behörden diskutiert. Eine Untersuchungskommission soll aber erst im Lauf der kommenden Woche ihre Arbeit aufnehmen. Die rechtsextreme Partei Vlaams Belang forderte, für Terroristen und Helfer die Todesstrafe wieder einzuführen.

Auch in Italien wird gefragt, ob das Land den Dschihadisten und ihren Zuarbeitern als sicheres Transit- und Rückzugsgebiet gedient hat. Das legen mehrere Hinweise und Reiseepisoden nahe. Bekannt ist zum Beispiel, dass Khalid El Bakraoui, der sich in der Brüsseler Metrostation Maelbeek in die Luft gesprengt hat, im Sommer 2015 mit einem Billigflug ins norditalienische Treviso gelangt war, dort eine Nacht verbrachte und dann in Venedig eine Maschine nach Athen bestieg. Warum nicht direkt? Offenbar gelten die Transitflüge durch kleinere Flughäfen als sicherer, weil dort die Kontrollen lückenhafter sind. Nur eine Woche später reiste auch Salah Abdeslam von Belgien über Italien nach Griechenland: mit dem Auto nach Bari an der Stiefelspitze, und von dort mit der Fähre nach Patras.

El Bakraoui, so erfuhr nun der Fernsehsender Sky Italia TG 24, trat unter anderem mit einem Pseudonym auf, das in Italien ein bisschen bekannt ist: als Ibrahim Maaroufi. So heißt ein belgisch-marokkanischer Fußballprofi, 27 Jahre alt, der zwei Jahre lang bei Inter Mailand gespielt hat, nur sechs Begegnungen insgesamt, und dann oft den Verein wechselte. Maaroufi stammt aus dem Brüsseler Stadtteil Schaerbeek. Hinweise darauf, dass er seine Nachbarn näher gekannt haben könnte, gibt es keine. El Bakraoui unterzeichnete einen Mietvertrag unter seinem Namen.

Das "Informatik-Genie" soll mehreren Terroristen eine falsche Identität besorgt haben

Die Papiere könnte auch in diesem Fall Djamal Eddine Ouali gefälscht haben, ein 40 Jahre alter Algerier, den die italienische Polizei vor einigen Tagen in Bellizzi, einem kleinen Ort bei Salerno, festgenommen hat. Ouali war erst im Januar aus Belgien, wo man ihn wegen des Verdachts auf Dokumentenfälschung suchte, nach Süditalien übergesiedelt und lebte dort mit seiner schwangeren Frau bei Freunden. Mitte März meldeten sich die beiden bei den Behörden, um eine Aufenthaltsbewilligung zu beantragen. Ouali hatte keinen Reisepass bei sich und behauptete, er habe ihn verlegt.

So erst wurde die Polizei auf den Mann aufmerksam, von dem es heißt, er sei ein "Informatik-Genie" und habe mehreren Terroristen eine falsche Identität verschafft, damit sie unbehelligt durch Europa reisen konnten. In seinem Atelier fand die belgische Polizei mehr als tausend Fotodokumente.

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