Brüssel:EU sieht britisches Kabinett skeptisch

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Parlamentspräsident Martin Schulz kritisiert die Berufungen von Boris Johnson als Außenminister und die von David Davis als Chefmanager für den Brexit. Auch andere Politiker äußern sich kritisch.

Von Daniel Brössler und Cerstin Gammelin, Brüssel/Berlin

Großbritanniens neue Premierministerin Theresa May hat mit ihren ersten Personalentscheidungen den Unmut in der EU weiter verstärkt. Die Berufungen von Brexit-Wortführer Boris Johnson zum Außenminister und des als Hardliner geltenden Politikers David Davis zum Minister für die Austrittsverhandlungen wurden als äußerst schlechtes Zeichen gewertet. Die Besetzung des neuen Kabinetts zeige, "dass es weniger um die Zukunft des Landes geht als um die Befriedung und den inneren Zusammenhalt der Tory Party", sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) der Süddeutschen Zeitung. Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault nannte Johnson einen Lügner. Die Leute hätten gesehen, welchen Stil Johnson im Wahlkampf vor dem Brexit-Votum an den Tag gelegt habe, sagte Ayrault dem Radiosender Europe-1.

Für die EU kommt es nun darauf an, wann die neue britische Regierung gemäß Artikel 50 des EU-Vertrags ihren Austrittswunsch erklärt. In seinem Glückwunschschreiben an May betonte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, auf den Ausgang des Brexit-Referendums müsse "schnell" reagiert werden. May ließ offen, wann sie den Austritt erklären will. Es müsse "einen Zeitraum geben, in dem die neue Regierung sich auch klar wird: Welches Verhältnis wollen wir zur Europäischen Union haben", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel dem Sender Sat 1. Sie solle aber Zeit bekommen, "sich das genau zu überlegen".

Auch Schulz kündigte eine "konstruktive Zusammenarbeit" mit der neuen britischen Regierung an. Doch setze sich in London "bedauerlicherweise fort, was schon der unselige Ausgangspunkt des Referendums war. Nicht das Wohl des Landes steht im Mittelpunkt der politischen Weichenstellungen, sondern parteipolitisches Kalkül." Großbritannien müsse sich "aus dieser gefährlichen Spirale, die auch direkte Auswirkungen auf ganz Europa hat, befreien". Mit falschen Angaben über die britischen Zahlungen an die EU hatte Johnson während der Brexit-Kampagne Empörung ausgelöst. Auch brachte er die europäische Einigung mit Hitler-Deutschland in Verbindung. In Johnson werde "der Brandstifter zum Chef der Feuerwache ernannt", sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann.

Als problematisch gilt auch der Brexit-Minister. "Die Pläne von Davis sind gewagt", sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn der SZ. Davis hatte die Erwartung geäußert, die EU gewähre Großbritannien zollfreien Zugang zum Binnenmarkt, ohne auf Personen-Freizügigkeit zu bestehen. Dies geschehe nicht, warnte Asselborn: "Man kann der EU seit dem Referendum viel vorwerfen, aber nicht, dass sie ihre Prinzipien über Bord wirft."

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) rief dazu auf, Johnsons Aussagen nicht zu ernst zu nehmen. Man habe in Deutschland gute Erfahrungen damit, "dass man Äußerungen, die in Wahlkämpfen gemacht werden, am Tag nachdem die demokratische Entscheidung gefallen ist, zu den Akten legt und im Übrigen vergisst."

© SZ vom 15.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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