Brüssel:Angebot für Afrika

Brüssel: Junge Männer aus dem Sudan protestieren in Berlin gegen ihre Abschiebung. Die EU will erreichen, dass es zur Flucht erst gar nicht kommt.

Junge Männer aus dem Sudan protestieren in Berlin gegen ihre Abschiebung. Die EU will erreichen, dass es zur Flucht erst gar nicht kommt.

(Foto: Markus Schreiber/AP)

Europa will 23 Staaten unterstützen, damit diese Flüchtlinge wieder aufnehmen oder gleich zu Hause in ihren Ländern halten. Es geht um Geld, aber auch Ausbildung.

Von Kristiana Ludwig, Berlin

Wie es sich in Eritrea lebt, daran lässt der aktuelle Menschenrechtsbericht der Bundesregierung wenig Zweifel. "Menschenrechte werden im diktatorisch regierten Eritrea seit vielen Jahren systematisch verletzt", heißt es dort. Die Regierung um Staatschef Isaias Afwerki sorge in dem ostafrikanischen Land für eine fast lückenlose Unterdrückung von Pressefreiheit und Bürgerrechten, Tausende politische Gefangene säßen ohne Anklage "unter unmenschlichen Bedingungen in Haft".

Eritreer bilden die zweitgrößte Gruppe von anerkannten Flüchtlingen in der Europäischen Union, nur Syrer bekommen häufiger Asyl. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt rund 14 600 Menschen. Die EU hat bereits versucht, mit Eritreas Führung über Menschenrechtsfragen zu sprechen. Doch der Dialog sei bisher "ohne erkennbare, größere Erfolge" verlaufen, heißt es im Bericht.

Trotzdem will die EU beim Flüchtlingsgipfel in Malta im November Eritreas Regierung ebenso wie mehr als 20 weiteren afrikanischen Staaten ein Angebot machen. Sie sollen "irreguläre Migranten", die ausgewandert sind oder das Staatsgebiet durchquert haben, wieder aufnehmen. Im Gegenzug verspricht die EU ein "maßgeschneidertes Unterstützungspaket". Das ist der Ansatz, den die EU schon seit Längerem in der Zusammenarbeit mit überwiegend afrikanischen Herkunftsländern der Flüchtlinge und den Transitstaaten verfolgt. Das Geschäft, das den Europäern vorschwebt, lautet: Wer mitmacht beim Versuch, die Flüchtlinge im eigenen Land zu halten oder, schwieriger noch, sie wieder zurückzunehmen, der bekommt auch etwas dafür. Das Ganze wird im technischen Jargon "more for more" genannt: Wer mehr kooperiert, der bekommt mehr Geld, Ausbildung, Unterstützung.

Die EU-Kommission plant einen Nothilfe-Fonds mit 1,8 Milliarden Euro

Wie weit die Pläne gediehen sind, geht aus dem Entwurf eines Aktionsplans hervor, den die EU in der maltesischen Hauptstadt Valletta mit afrikanischen Staaten vereinbaren will. Auch die Konfliktländer Südsudan und Sudan sind eingeladen sowie Ägypten. In dem Entwurf des Rats der EU, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, werden den Partnerstaaten zunächst diverse klassische entwicklungspolitische Maßnahmen vorgeschlagen: unter anderem Hilfe bei der Schaffung von Arbeitsplätzen, der Ausbildung insbesondere junger Menschen, der Förderung von Mikro-, kleinen und mittleren Unternehmen. Auch humanitäre Hilfe sowie Umweltprojekte zählen dazu.

Gleichzeitig will die Europäische Union den betroffenen Staaten beim "state building" helfen, also dabei, ihre Institutionen zu verbessern, und dies vor allem in den Bereichen, die für die EU in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse sind: Polizei, Sicherheit, Grenzschutz, Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität, insbesondere Menschenschmuggel. Als mögliche Lockmittel nennt die EU die Möglichkeit, kooperierenden Staaten mehr Visa auszustellen oder ihnen einen stärkeren Zugang zum europäischen Markt zu gewähren.

Um insgesamt 23 afrikanische Staaten, darunter auch "potenziell instabile Regionen" zu unterstützen, will die EU-Kommission in Valletta einen Nothilfe-Treuhandfonds für Afrika gründen, in den sie 1,8 Milliarden Euro aus europäischen Entwicklungshilfegeldern einspeist. Zusätzlich wirbt sie bei den Mitgliedstaaten um Mittel. Die Bundesrepublik wird sich mit 360 Millionen Euro beteiligen, heißt es aus dem Entwicklungsministerium. Damit sei Deutschland der größte Geber.

Zwar steht in dem Papier für den Gipfel in Valletta, dass sich die Rückführungen an Menschenrechtsstandards orientieren müssen, doch die grüne Europaabgeordnete Ska Keller äußerte dennoch Kritik an den Plänen. Das Entwicklungsgeld werde dafür eingesetzt, dass Flüchtlinge nicht in die EU kommen, sagt sie: " Das ist eine kurzsichtige Politik, die Diktatoren stützt und Fluchtursachen im Zweifel eher verstärkt als bekämpft."

Auch der entwicklungspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Uwe Kekeritz, sagt, es würden "auch deutsche Entwicklungsgelder zweckentfremdet". Ein Sprecher des Bundesentwicklungsministers Gerd Müller (CSU) sagt, es werde "derzeit noch diskutiert", wie die Mittel aus dem Fonds verwendet würden.

Neben einem Hinweis auf bestehende Rückführungsvereinbarungen steht in dem Aktionsplan auch, dass die EU afrikanische Staaten im Grenzschutz unterstützen will. Genannt wird etwa der Eucap-Einsatz in Mali und Niger, der auf Migrationskontrolle ausgeweitet werden soll. Ähnlich wie EU-Mitgliedstaaten bereits mehreren nordafrikanischen Staaten Partnerschaften angeboten haben, bei denen sie leichtere Einreisebedingungen für die eigenen Staatsbürger gegen Kooperation im Grenzschutz tauschen, verspricht die EU auch deren südlichen Nachbarn Vorteile für die eigenen Staatsbürger, zugeschnitten auf die Lücken auf dem europäischen Arbeitsmarkt.

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