Brüderle ist zurück:Plakat-Mann der Frauen

Der liberale Spitzenmann Rainer Brüderle ist Wochen nach seinem Unfall zurück auf der politischen Bühne. In Berlin stellt er ein Plakat vor, bemüht, nicht allzu versehrt zu wirken. Und findet zu altem Humor zurück.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Rainer Brüderle humpelt die paar Schritte zum Pult. So ganz fit scheint er nach seinem Unfall vor gut acht Wochen noch nicht zu sein. Linker Oberschenkel und linker Unterarm, beides gebrochen. Er ist 68 Jahre alt, da heilt so was nicht mehr so schnell. Immerhin, er kann ohne Krücken laufen. Wunderheilung nennt das die Welt.

Er hat sich bereits getestet diese Woche. Wahlkampfauftritte in Baden-Württemberg. Scheint halbwegs gut gegangen zu sein. Jetzt sein erster Auftritt vor der Hauptstadtpresse. Er will ein Plakat vorstellen. An seiner Seite: FDP-Chef Philipp Rösler.

Brüderles Stimme ist noch schwach. Oder schon wieder schwach, nach dieser ersten Woche der Belastung? Manchmal bleibt der Ton ganz weg, manchmal gurgelt und räuspert es nur. Und schmal ist er geworden. Angeblich soll er zehn Kilo verloren haben.

Brüderle ist bemüht, alte Stärke zu demonstrieren. Er ballt seine Fäuste. Fuchtelt energisch mit ihnen durch die Luft, als stünde er im Boxring und nicht am gelb-blauen Pult einer Pressekonferenz in der FDP-Zentrale.

Auch inhaltlich geriert er sich wie auf einer Wahlkampfbühne, geißelt die Staatsgläubigkeit der anderen Parteien, warnt vor DDR light, Postkommunisten und Verbotsorgien der Grünen. Er hat Grund zu guter Laune: In den Umfragen stabilisiert sich die FDP gerade bei knapp über fünf Prozent. Und das, obwohl er weitgehend außer Gefecht gesetzt war. Telefoninterviews hat er gegeben. Und die eine oder andere Pressemitteilung verfassen lassen. Das war es.

Dass er es wissen will, dass er brennt, das will er jetzt die Journalisten spüren lassen.

Eine neue Wahlkampfforderung soll plakatiert werden: Weg mit dem Soli. Das klingt nach was. Helmut Kohl, Hans Dietrich Genscher und Theo Waigel hätten in der schwarz-gelben Koalition in der Nachwendezeit versprochen, dass der Solidaritätszuschlag nur zeitlich befristet erhoben werden soll, sagt Brüderle. An dieses Versprechen will die FDP jetzt erinnern.

Der Solidarpakt ist zwar bereits zeitlich befristet. 2019 ist damit Schluss. Das ist die Beschlusslage zwischen Bund und Ländern. Allerdings erwägt Bundeskanzlerin Angela Merkel, den Solidaritätszuschlag weiter zu erheben. Die Einnahmen von 13 Milliarden Euro jährlich will sie in Infrastruktur stecken.

Brüderle verspricht, die FDP werde sich dafür einsetzen, dass der Soli früher wegkommt. Allerdings nur, wenn es die wirtschaftliche Lage hergibt, sagt Brüderle auf Nachfrage. Auf einen Zeitpunkt will er sich nicht festlegen. Auch nicht darauf, ob er denn bis zur Wahl 2017 schon abgeschafft sein soll.

So differenziert steht das natürlich nicht auf dem eher altbackenen Wahlplakat. Rein optisch könnte es auch locker im Wahlkampf 1984 geklebt worden sein. Links Brüderle, die rechte Hand ausgestreckt, als reiche er sie dem Betrachter. Auf gelbem Grund in blauer Schrift: "Soli abschaffen. Deutschland entlasten". Oben rechts das FDP-Logo.

Dank digitaler Fotobearbeitung wirkt Brüderle deutlich verjüngt. Eher Anfang als Ende 60. Wer denn dieser gutaussehende Mann sei, fragt ein Journalist überrascht. Und plötzlich ist er wieder da, der Altherren-Humor, den sich Brüderle nach den Sexismus-Vorwürfen zu Jahresbeginn konsequent verboten hat. "Das fragen viele Frauen!", sagt er. Und grinst.

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