Briten entschädigen Terrorverdächtige:Millionen für Guantanamo-Häftlinge

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Die britische Regierung bestreitet, Foltermethoden gebilligt zu haben - dennoch will sie ehemalige Guantanamo-Häftlinge mit Millionenzahlungen entschädigen.

M. König

Ist es ein Schuldeingeständnis, eine Geste an die Opfer? Oder ist es der Versuch, peinliche Schlagzeilen zu vermeiden? In jedem Fall ist es eine gute Nachricht für mindestens sechs ehemalige Guantanamo-Häftlinge, die das britische Justizministerium an diesem Dienstag in London verkünden wird: Die britische Regierung hat sich offenbar mit Ihnen auf millionenschwere Entschädigungszahlungen geeinigt. Das berichten der Londoner Guardian und die BBC.

Häftling im US-Gefangenenlager Guantanamo Bay auf Kuba (Archivbild): Großbritannien will ehemalige Insassen entschädigen - mit Zahlungen in Millionenhöhe. (Foto: dpa)

Insgesamt zwölf Männer hatten Großbritannien wegen Beihilfe zur Folter vor dem High Court of Justice, Teil des Systems des obersten Gerichts für England und Wales, verklagt. Sie sind entweder britische Staatsbürger oder haben ihren Wohnsitz im Land und waren an verschiedenen Orten - darunter im US-Lager Guantanamo Bay auf Kuba oder nahe dem afghanischen Luftwaffenstützpunkt Bagram - gefangen gehalten worden.

Sie werfen der britischen Regierung vor, die Geheimdienste MI5 und MI6 hätten von Misshandlungen in Gewahrsam der USA, Pakistan und anderen Ländern gewusst und sich damit mitschuldig gemacht. In manchen Fällen hätten die Folterer Fragen gestellt, die ihnen von den Behörden in London diktiert worden seien.

Die britische Regierung bestreitet das, betont aber zugleich, geheimes Beweismaterial könne nicht zugänglich gemacht werden. Der Direktor des Auslandsgeheimdienstes MI6, John Sawers, bezeichnete Foltermethoden als "illegal und verabscheuungswürdig". Als der ehemalige US-Präsident George W. Bush bei der Vorstellung seiner Memoiren behauptete, Verhörmethoden wie Waterboarding hätten Terroranschläge verhindert, widersprach ihm der amtierende britische Premierminister David Cameron.

Dass sich London nun dennoch zu der Entschädigungszahlung in Millionenhöhe entschieden hat, liegt offenbar an der drohenden Gerichtsverhandlung. Die Befürchtung der Regierung: Zahlreiche Geheimdokumente könnten offengelegt, der Ruf des Landes durch unappetitliche Details noch stärker geschädigt werden.

Die Dauer der Prozesse wurde von Spezialisten auf fünf Jahre geschätzt, mit Kosten in Höhe von 50 Millionen Pfund (59 Millionen Euro) wurde gerechnet. Der BBC zufolge waren zuletzt 100 Geheimdienstmitarbeiter damit beschäftigt, 500.000 Dokumente zu sichten.

Cameron hat eine Untersuchungskommission angekündigt

Auch die jetzt offenbar erfolgte Einigung kommt die Regierung allerdings nicht ganz billig. Nach Angaben des Fernsehsenders ITV News sollen mindestens sieben Männer Zahlungen erhalten. Einer von ihnen könne mit mehr als einer Million Pfund, umgerechnet 1,2 Millionen Euro, rechnen. Dass die britische Regierung die genaue Höhe aller Entschädigungszahlungen nennt, gilt allerdings als unwahrscheinlich.

Auch die Empfänger des Geldes werden vermutlich zur Verschwiegenheit verpflichtet. Nach Angaben des Guardian gehörten Bisher al-Rawi, Jamil al-Banna, Richard Belmar, Omar Deghayes, Binyam Mohamed und Martin Mubanga zu den Klägern vor dem High Court.

Der britische Premier David Cameron hatte im Juli die Einrichtung einer Untersuchungskommission angekündigt. Sie soll die Haltung der britischen Geheimdienste gegenüber Foltermethoden im Ausland prüfen. Die Arbeit des Ausschusses kann allerdings erst beginnen, wenn die Klagen beigelegt sind.

Cameron hatte im Juli im Hinblick auf die Arbeit der Geheimdienste erklärt: "Unser Ruf als ein Land, das an Menschenrechte, Gerechtigkeit, Fairness und den Rechtsstaat glaubt - Ideale, zu deren Schutz diese Dienste überhaupt existieren - läuft Gefahr, beschmutzt zu werden."

© sueddeutsche.de/mit Material von dpa/dapd - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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