Britannien:Ganz und gar konservativ

Britain's Queen Elizabeth delivers her speech in the House of Lords, during the State Opening of Parliament at the Palace of Westminster in London

Im Oberhaus sitzen zwar etwa 200 Frauen - aber sie sind ernannt, nicht gewählt. Nur der Erbadel darf über Bewerber aus den eigene Reihen abstimmen.

(Foto: Suzanne Plunkett/Reuters)

In seiner Regierungserklärung muss Großbritanniens Premierminister David Cameron jetzt zum ersten Mal keine Rücksichten mehr nehmen auf einen Koalitionspartner.

Von Christian Zaschke

Es ist alljährlich der höchste politische Festtag im Parlament des Vereinigten Königreichs: Wenn an diesem Mittwoch Königin Elizabeth II. die erste Regierungserklärung der neuen konservativen Regierung von Premierminister David Cameron verliest, feiert die britische Demokratie sich selbst mit Glanz und Gloria. Nachdem Cameron bei den Unterhauswahlen vor knapp drei Wochen überraschend eine absolute Mehrheit errungen hat, kann er erstmals in seiner Zeit als Premier eine rein konservativ geprägte Regierungserklärung verlesen lassen. In den vergangenen fünf Jahren hatte er die Wünsche der vormaligen Koalitionspartner von den Liberaldemokraten berücksichtigen müssen.

Der wohl wichtigste und meistdiskutierte Punkt der Erklärung wird sein, dass die Konservativen das Verhältnis Großbritanniens zur Europäischen Union neu regeln wollen. Bis spätestens 2017 wird Cameron eine Volksabstimmung über die Mitgliedschaft in der Union anstrengen. Wie sehr das Thema die ersten Jahre seiner zweiten Amtszeit prägen wird, zeigt sich bereits in dieser Woche, in der mit der Thronrede die zweite Legislaturperiode Camerons als Premier offiziell beginnt.

Am Montag empfing er den EU-Kommissions-Präsidenten Jean-Claude Juncker auf Chequers, dem imposanten Landsitz der britischen Premiers. Das Treffen war von der britischen Presse mit Interesse erwartet worden, weil Cameron sich im vergangenen Jahr deutlich gegen die Ernennung Junckers positioniert hatte. Nun teilte ein Sprecher des Premiers mit, die beiden Politiker hätten "konstruktive Gespräche" geführt. Cameron habe Juncker gesagt, die britische Bevölkerung sei mit dem Status quo der Beziehungen zur EU unzufrieden. Juncker wiederum wiederholte höflich, was er schon öfter gesagt hatte: Man wolle einen "fairen Deal" für das Vereinigte Königreich finden. Was das konkret bedeutet, blieb unklar.

Am Tag nach der Thronrede bricht Cameron zu einer kurzen Europareise auf, während der er für seine EU-Reformpläne werben will. So wird er am Donnerstag in Dänemark, den Niederlanden und in Frankreich erwartet. Am Freitag reist er dann nach Polen und ist zu Gast bei Angela Merkel in Berlin. Die deutsche Bundeskanzlerin halten die Konservativen für ihre wichtigste Verbündete in ihren Reformbemühungen.

Vor dem Gipfel des völligen Widerspruchs

Allerdings hat Merkel laut eines Berichts der Zeitung Le Monde gerade mit dem französischen Präsidenten François Hollande einen Plan ausgearbeitet, die Integration innerhalb der Euro-Zone voranzutreiben. Dabei sollen die bestehenden Verträge ausdrücklich nicht verändert werden.

Ein entsprechendes Papier sei dem Komissions-Präsidenten Juncker bereits am Samstag übergeben worden und solle auf dem EU-Gipfel im Juni in Brüssel vorgestellt werden. Auf genau diesem Gipfel will auch Cameron seine Pläne präsentieren. Anders als Merkel und dem Sozialisten Hollande schwebt ihm unter anderem vor, die Verträge teilweise neu zu verhandeln. Daran gibt es weder in Paris noch in Berlin gesteigertes Interesse, wie die jüngste Vereinbarung von Hollande und Merkel erneut zeigt.

Bis zu dem Brüsseler Gipfel im Juni will Cameron mit sämtlichen EU-Staats- und Regierungschefs sprechen und erläutern, was genau er vor der Volksabstimmung neu verhandeln möchte. Eines seiner Kernanliegen ist es, den Zugang zu Sozialleistungen für Einwanderer aus der EU zu erschweren. Gemäß seinen Vorstellungen sollen nicht-britische EU-Bürger die meisten Sozialleistungen erst beantragen können, nachdem sie vier Jahre lang im Land gearbeitet haben. Zudem sollen sie kein Kindergeld mehr für Familienangehörige bekommen, die nicht im Land leben. Es wird erwartet, dass besonders die osteuropäischen Mitgliedsstaaten sich gegen diese Pläne stellen.

Im Moment würde keine Mehrheit Bye-Bye Europa sagen

Cameron fordert zudem, dass die nationalen Parlamente gestärkt werden sollen. Diese sollen vor allem das Recht haben, Gesetzesvorhaben aus Brüssel zu blockieren. Weiterhin setzt sich der Brite dafür ein, dass die Wirtschaft von bürokratischen Hemmnissen befreit wird und fordert, rasch Freihandelsabkommen mit den USA und asiatischen Ländern zu schließen. Ferner soll geregelt werden, dass die, wie die Konservativen sie nennen, "unnötige Einmischung" des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in die Arbeit der britischen Polizei und der britischen Gerichte ein Ende hat.

Schließlich ist es den Tories seit jeher ein Dorn im Auge, dass in den EU-Verträgen festgelegt ist, dass die Mitgliedsstaaten den "immer engeren Zusammenschluss der europäischen Völker" suchen. Hier strebt Cameron eine Ausnahmeregelung für die Briten an.

Über all diese Aspekte will der Premier in den kommenden Monaten verhandeln und auf der Grundlage des Ergebnisses über die Mitgliedschaft abstimmen lassen. Bereits an diesem Donnerstag stellen die Tories ein EU-Referendums-Gesetz vor, das die Details der Volksabstimmung regeln soll.

Ursprünglich hatte Cameron das Referendum für den Herbst 2017 angepeilt, mittlerweile gilt es als wahrscheinlich, dass er die Abstimmung schon auf 2016 vorzieht - nicht zuletzt, um die Debatte schnell vom Tisch zu haben. Cameron ist im Grundsatz dafür, in der EU zu bleiben und hat das Referendum vor allem aus wahl- und parteitaktischen Gründen versprochen. Mindestens ein Fünftel seiner Fraktion zählt zu den Hardlinern unter den Europaskeptikern. Diese wollen den EU-Austritt unbedingt - ganz gleich, was Cameron an Reformen verhandeln kann.

Bei diesem Referendum sollen die gleichen Regeln gelten wie bei einer Unterhauswahl. Und das bedeutet, dass im Land lebende Briten, Iren und Commonwealth-Bürger abstimmen dürfen, ausgeschlossen bleiben dann jedoch Bürger aus anderen EU-Staaten. Ferner sind Briten stimmberechtigt, die seit weniger als 15 Jahren im Ausland leben. Jüngsten Umfragen zufolge würde im Moment rund ein Drittel der Wähler dafür stimmen, die Europäische Union zu verlassen, und gut die Hälfte für den Verbleib.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: