Briefe Betroffener an die Missbrauchsbeauftragte:"Es war und ist die Hölle"

Ein Jahr lang hat Christine Bergmann, die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Briefe Betroffener ausgewertet. In ihrem Abschlussbericht finden sich auch Auszüge aus diesen Schilderungen.

Eine Dokumentation.

Etwa 15.000 Anrufe, Briefe und Mails sind in einem Jahr bei der Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Christine Bergmann, eingegangen. An diesem Dienstag hat die SPD-Politikerin den Abschlussbericht ihrer Arbeit vorgestellt. Darin finden sich auch Auszüge aus den Briefen Betroffener.

Zum Missbrauch durch einen Sporttrainer schreibt ein unbekannter Verfasser:

"Damals habe ich nicht bemerkt, von welch langer Hand er die Übergriffe vorbereitet hatte und wie er sich in den Monaten, bevor die Vergewaltigungen begannen, in mein Vertrauen eingeschlichen hatte. Die Widersprüche zwischen dem Trainer, der mich förderte, der mich unterstützte und dem ich vertraute, und dem Missbraucher, der mir drohte, der mir Schweigegebote auferlegte und der mich vergewaltigte, haben mich jahrzehntelang umgetrieben. Aber erst in der Therapie ist mir klar geworden, dass gerade dieses Janusköpfige das Perfide am Missbrauch ist. Die Täter, die Kinder missbrauchen, sind nur selten die ekelhaften, abstoßenden Kerle, die ihre Opfer in einem Überraschungsangriff ins Gebüsch zerren."

Aus dem Schreiben einer 66-Jährigen, die als Kind vom Freund ihrer Mutter missbraucht wurde:

"Warum schweigt man 10, 30 oder 60 Jahre nach Missbrauch? Man erwartet, dass Erwachsene einen schützen, oder dass sie wissen sollten, was mit einem geschieht. Als Kind erwartet man das einfach. Wenn man dann nicht geschützt wird, oder die Erwachsenen verstehen nicht, was das Kind ihnen sagen will, verliert man das Vertrauen. Eigentlich ist man doppelt geschändet, zuerst vom Täter, danach von den Erwachsenen, die einen nicht hören können oder wollen, dann vom verlorenen Vertrauen in sich und die Gesellschaft."

Ein männliches Opfer schreibt zum Missbrauch durch einen katholischen Pfarrer:

"Ich wurde in den sechziger Jahren sexuell missbraucht. Ich war Ministrant in der katholischen Kirche ... und der Kerl war Pfarrer... Ich konnte vieles verdrängen, aber dieser Name war immer in meinem Kopf. Es war und ist die Hölle, und ich habe Probleme, alles in Worte zu fassen. Es geschah in der Kirche, in seiner Wohnung, im Auto, auf den Fahrten zur Messe in Nachbarorte ... Irgendwann kamen dann Leute, die mich darüber befragten, Details hören wollten, und irgendwie habe ich seid dieser Zeit das Gefühl, an allem selber schuld zu sein. Auch meine eigene Familie hat mich einfach nur ignoriert. Es war einfach nichts passiert. Ich habe heute noch das Gefühl, ich war irgendwie über in der Welt."

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