Brexit:Wehmut und Warnungen

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Nigel Farage versäumte die Gelegenheit nicht, bei seinem Auftritt vor dem Europäischen Parlament noch einmal zu provozieren. (Foto: Jean-Francois Badias/AP)

Das EU-Parlament will in den Austrittsverhandlungen mit den Briten eine harte Haltung einnehmen. In der Debatte gab es auch Worte des Bedauerns.

Von Thomas Kirchner, Straßburg

Nigel Farage hatte mehr als neun Monate Zeit, sich zu überlegen, in welcher Form er seine Kollegen noch einmal provozieren könnte. Am Ende fiel dem britischen Ukip-Politiker und obersten Brexit-Fan nichts anderes ein, als das Europäische Parlament mit der "Mafia" zu vergleichen. Es sei schließlich nur darauf bedacht, wie es Rache üben könne an den Briten, sagte er am Mittwoch in Straßburg. "Sie denken, wir sind eine Geisel. Das sind wir nicht. Es steht uns frei zu gehen." Als Italiener musste Parlamentspräsident Antonio Tajani bei "Mafia" natürlich einschreiten. Gut, also dann "Gangster", korrigierte sich Farage, was vielen Abgeordneten noch immer nicht gefallen wollte.

Das Europäische Parlament hat, was die Bedingungen des britischen Austritts aus der EU betrifft, einiges mitzureden. Es wird gleichberechtigt über den Austrittsvertrag abstimmen, kann ihn also kippen. Man werde dieses Recht notfalls nutzen, warnte - nicht als einziger - der sozialdemokratische Fraktionschef Gianni Pittella. In der Substanz unterscheidet sich die Position des Parlaments kaum von den Leitlinien, die EU-Ratspräsident Donald Tusk vergangene Woche als Reaktion auf den offiziellen britischen Austrittswunsch verkündet hatte. Wichtig ist den Abgeordneten vor allem, dass Gewissheit herrscht über die Bedingungen des Austritts, bevor über die künftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Königreich verhandelt wird. Das heißt, die Endabrechnung muss stimmen und der Status der Millionen Bürger, die im jeweils anderen Gebiet leben, befriedigend geklärt sein.

Seine Behörde verstehe sich als "Fürsprecherin der Betroffenen", sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Chefunterhändler Michel Barnier warnte London, über alles auf einmal verhandeln zu wollen. "Das ist ein sehr riskanter Ansatz." Besser sei es, in einer ersten Phase der Gespräche Vertrauen aufzubauen, bevor es dann um die Zukunft gehe.

Guy Verhofstadt sprach von einer "Zweckehe" - aber man habe doch viel erreicht miteinander

Auch die Abgeordneten machen sich Sorgen über eine künftige "harte Grenze" zu Nordirland, das zu Großbritannien gehört. In einem Punkt allerdings geht die Resolution, die das Parlament verabschiedete, deutlich weiter als Tusk: Die Drohung von Premierministerin Theresa May, ihr Land könne die Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen verringern, falls die Wirtschaftsbeziehungen nicht nach britischem Geschmack gestaltet würden, wiesen die Abgeordneten ausdrücklich zurück. "In solchen Fragen gibt es keinen Handel", sagte Philippe Lamberts (Grüne). Detaillierter klärt das Parlament auch, wie lange eine mögliche Übergangsphase zur Anpassung von Regeln dauern dürfe: höchstens drei Jahre. Und es weist darauf hin, dass die Briten ihre Meinung gerne noch ändern dürften und den Brexit wieder absagen könnten.

Drei Stunden währte die Debatte, etwa 70 Abgeordnete sprachen. Viele bekundeten ihre Trauer über den Auszug der Briten. Es tue weh, dass sie "die beste Idee des 20. Jahrhunderts" verließen, sagte der Christdemokrat Esteban González Pons, diesmal stünden sie allerdings auf der falschen Seite der Geschichte. Mehr als eine "Zweckehe" sei das nie gewesen, sagte der Liberale Guy Verhofstadt, aber man habe doch viel erreicht miteinander. Irgendwann werde sicher wieder ein junger Mensch versuchen, dieses Land zurückzuholen "in die europäische Familie". Letztlich sei der Brexit nichts anderes als ein "Zickenkrieg" in den Reihen der regierenden Konservativen.

© SZ vom 06.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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