Brexit:Mays Uhr

Die Premierministerin muss den Bruch mit ihrer Partei riskieren.

Von Stefan Kornelius

Premierministerin Theresa May verfügt über die bemerkenswerte Gabe, dass sie den größten Druck höflich weglächeln und den Eindruck vermitteln kann, die Dinge stünden zum Besten. Zum Besten steht natürlich gar nichts beim Endlosdrama Brexit, weil die Politik auf der Insel in einer Art Doppelhelix gefangen ist. Strang eins entscheidet über die Machtverhältnisse bei den Tories, Strang zwei über die Natur des Brexits - hart oder weich, ganz draußen oder irgendwie angelehnt an die EU. Entscheidet sich May für den weichen Brexit, reißt der Macht-Strang, und sie ist ihre Mehrheit los. Entscheidet sie sich für den harten Brexit, dann reißt Strang zwei. Sie behält dann möglicherweise ihre Macht, aber verliert die Schlacht um die Zukunft für ihr Land.

Dieses Dilemma kann die EU nicht lösen. Sie kann Großbritannien vielleicht den einen oder anderen Vorteil gewähren, wenn das Land als Nicht-Mitglied an die Tür klopft. Aber zunächst ist es die Blockade in den Reihen der Tories, die alle Konzessionen verbietet.

May hat einen Verbündeten: die Uhr. Wenn die Insel nicht in wenigen Monaten über die Klippe gehen soll, wenn die große Abwanderung von Industrie und Dienstleistern gestoppt werden soll, dann muss sie die Entscheidung erzwingen und große Verwerfungen in der Partei bis hin zum Bruch oder zu Neuwahlen riskieren. Der richtige Zeitpunkt wird spätestens nach der Sommerpause gekommen sein, kurz vor den Parteitagen. Die Wähler könnten ihr es danken.

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