Brexit:"Lernt schonmal unsere Hymne!"

Brexit: Der Brexit steht schon fest, als dieser Mann die Chance für ein Erinnerungsfoto mit dem Slogan der - in Gibraltar sehr erfolgreichen - Remain-Kampagne nutzt.

Der Brexit steht schon fest, als dieser Mann die Chance für ein Erinnerungsfoto mit dem Slogan der - in Gibraltar sehr erfolgreichen - Remain-Kampagne nutzt.

(Foto: AFP)

Gibraltar war gegen den Brexit und wird doch die EU-Flagge einholen müssen. Auch die Falklands hatten auf einen Verbleib gehofft. Nun wärmen Spanien und Argentinien alte Ansprüche wieder auf.

Von Thomas Urban und Boris Herrmann

Es hat alles nichts genützt: 96 Prozent der Wähler des britischen Überseegebiets Gibraltar haben gegen den Brexit gestimmt. Nun ist die Stimmung "ganz tief unten im Keller", wie es der Chefminister Fabian Picardo nannte. Zudem zeichnet sich ein handfester Streit mit Madrid ab. Jedenfalls erklärte der spanische Außenminister José Manuel García-Margallo selbstbewusst: "Nun sind wir der Formel von der geteilten Souveränität auf dem Felsen näher gekommen, bald wird hier auch die spanische Fahne wehen."

Doch genau dies will eigentlich niemand in Gibraltar, weder die Engländer, die dort wohnen, noch die Llanitos, wie die von den andalusischen Einwohnern der Region abstammende Mehrheit der Gibraltarer genannt wird. Vor genau einem Dutzend Jahren hatte ein Referendum genau darüber stattgefunden: Sollen London und Madrid gemeinsam Gibraltar verwalten? Die Antwort war eindeutig: 187 Llanitos stimmten mit Ja, 17 900, also 99 Prozent, mit Nein.

Dass nun die Konservativen in Madrid wieder dieses Fass aufmachen, wird allerdings nicht als reale Bedrohung angesehen - Madrid liefe Gefahr, dass Marokko dann die Rückgabe der beiden Enklaven Ceuta und Melilla betreiben würde.

Seit mehr als drei Jahrhunderten weht die britische Fahne über dem Affenfelsen, die Briten besetzten ihn im Spanischen Erbfolgekrieg und sicherten diese Erwerbung vertraglich ab. Für die Mehrheit der Spanier war dies aber stets ein "Stachel im Fleisch". Nun müssen die Einwohner der Halbinsel nicht nur die Europafahne einholen, sondern auch mit Schikanen an der Grenze zu Spanien rechnen, die künftig Außengrenze der EU ist.

Wenn es um die Malvinas geht, versteht Argentinien keinen Spaß

Etwa 400 Kilometer östlich von Feuerland wurde am Freitagmorgen ein Tweet abgesetzt, der es schon wenige Stunden später in die argentinischen Hauptnachrichten schaffte. "Falklands to take control of Argentina after Brexit", stand da. Das war natürlich ein Scherz, ein sehr britischer Scherz, um genau zu sein. Führende Medienhäuser aus Buenos Aires nahmen ihn trotzdem zum Anlass, um ernsthafte Abhandlungen über den verbitterten Streit um das Inselgrüppchen zu schreiben. Wenn es um ihre Malvinas geht, wie die Falklands dort konsequent genannt werden, dann lassen die Argentinier nicht mit sich spaßen.

Dass die kleinen Falklands in naher Zukunft den großen Nachbarn unterjochen, gilt als extrem unwahrscheinlich. Tatsächlich geht es natürlich um den Umkehrschluss. Der im Südatlantik inzwischen berühmte Tweet wurde über den zumindest halboffiziellen Account namens "Falkland Islands" verbreitet. Hinter seiner Ironie steckt die nicht ganz unbegründete Befürchtung, dass der Brexit den alten Gebietsansprüchen Argentiniens Rückenwind verleihen könnte.

Die Zeitung mit dem hübschen Namen "Penguin News", die nicht etwa Pinguine, sondern die Bewohner der Falklands zu ihrem Leserstamm zählt, hatte noch am Donnerstag getitelt: "Die Inselbewohner hoffen auf ein Votum zum Verbleib in der EU." Die Kelpers, wie sich die rund 3000 Bewohner nennen, begreifen sich als Briten, nicht als Argentinier, das haben sie 2013 in einem Referendum klar bezeugt. Ohne den Beistand der EU aber sehen sie ihre Position als britisches Überseegebiet ernsthaft bedroht. Selbst abstimmen durften die Inselbewohner nicht, die Falklands gehören - anders als Gibraltar - nicht der EU an.

Die argentinische Außenministerin Susana Malcorra hat just am Tag der Brexit-Abstimmung erklärt: "Die Malvinas sind seit der Geburt unserer Nation ein integraler Bestandteil unseres Territoriums." Der Brexit-Scherz von den Falklands wurde von einem offenbar auf dem Festland lebenden Follower so kommentiert: "Lernt schonmal unsere Hymne!"

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