Bremen:Voller Schuldenbewusstein

Es ist das kleinste und ärmste Bundesland. Die rot-grüne Koalition verspricht, künftig zähle wirklich jeder Euro.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Politik ist der zähe Kampf um Kleinigkeiten, nicht zuletzt im verarmten Bremen. So geht es im künftigen Koalitionsvertrag von SPD und Grünen, der am Samstag vereinbart wurde, auch um die Hundesteuer. 350 000 Euro zusätzlich sollen die Hundebesitzer in die Kassen spülen, indem sie für ihre Tiere mehr bezahlen. Erhöht wird außerdem die Grundsteuer, dank üppigerer Abgaben für Bewohner eigener Immobilien und Mieter werden Mehreinnahmen von 25 Millionen Euro erwartet. Dazu ist unter anderem eine Verwaltungsreform geplant. Denn das kleinste und ärmste Bundesland braucht jeden Euro, wenn sich Rot-Grün bis 2019 den finanziellen Vorgaben nähern will.

Mit mehr als 20 Milliarden Euro ist der Stadtstaat aus Bremen und Bremerhaven verschuldet, deutscher Rekord. "Wir müssen die Schuldenbremse einhalten, das war uns in jeder Sekunde bewusst", sagt der baldige Bürgermeister Carsten Sieling, 56. Er stammt aus dem linken Flügel der SPD, muss sich aber irgendwie orthodoxen Maßnahmen fügen. Sein Vorgänger und scheidender Amtsinhaber Jens Böhrnsen hatte seinen Rücktritt angekündigt, als Genossen und Grüne bei den Bürgerschaftswahlen am 10. Mai ihre Übermacht einbüßten. Nach wie vor ist die SPD die deutlich führende Kraft an der Weser, doch sie verlor erheblich an Stimmen, und die Grünen sanken auf Platz drei. Zusammen reicht es noch zu einer Regierung und der Fortsetzung einer einzigartigen Tradition, die Sozialdemokraten führen in Bremen seit 1947 pausenlos das Kommando. Die kommenden vier Jahre allerdings werden schicksalhaft, das weiß der neue Chef Sieling: "Es ist eine entscheidende Legislaturperiode, um die Selbständigkeit des Landes zu sichern."

Rot-grüne Koalitionsverhandlungen abgeschlossen

Regieren gemeinsam (v.l.): Karoline Linnert, Henrike Müller, Dieter Reinken und der designierte Regierungschef Carsten Sieling.

(Foto: Ingo Wagner/dpa)

Trotzdem soll es mehr geben: Mehr Lehrer und Polizisten, sogar mehr Straßenbahnen

Außer Sanierungsmaßnahmen wird Bremen dabei vor allem verstärkte Unterstützung brauchen, günstigere Konditionen beim Länderfinanzausgleich sollen helfen. Denn der Senat Sieling kann und will nicht nur sparen - er hat auch vor, die Ausstattung für Engpässe wie die Bereiche Polizei, Feuerwehr, Bildung und Soziales zu verbessern. Die Privatuni Jacobs soll kein öffentliches Geld mehr bekommen, vorgesehen sind aber mehr Lehrer, mehr Polizisten und 67 weitere Straßenbahnen. Zuletzt hatte die Bremische Polizei bereits wegen eines Sondereinsatzes beim Bundesligaderby Werder Bremen der Deutschen Fußball-Liga DFL eine Rechnung präsentiert. Und im Programm steht auch das Projekt Offshore-Terminal für Windenergie in Bremerhaven, 180 Millionen Euro soll das ungefähr kosten. "Substanzlos" und "häufig im Klein-Klein verfangen", ätzt die CDU, hatte im Wahlkampf aber auch keine großen Ideen zu bieten.

Die grünen Spuren in dem Kompromiss wirken auf den ersten Blick etwas blass, wie schon zuvor in Hamburg. Aber wie gehabt führt wohl eine Grüne das ebenso wichtige wie unerfreuliche Ressort Finanzen, Karoline Linnert, die schon Böhrnsens Stellvertreterin war. Wie gehabt stellt der kleinere der beiden Partner drei Senatoren. SPD-Leute leiten wie gehabt die bedeutenden Abteilungen Wirtschaft, Häfen, Arbeit und Justiz (Martin Günthner) und Inneres (Ulrich Mäurer), Eva Quante-Brandt wird Senatorin für Gesundheit. Den neuen Senatorenposten Kinder und Bildung bekommt die 40-jährige Sozialwissenschaftlerin Claudia Bogedan. Erziehung ist Carsten Sieling wichtig, nur zu teuer darf es nicht sein.

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