Braunkohleausstieg:"Wir haben immer gedacht: Wir werden gebraucht"

Wolkenfabrik

Das größte Kraftwerk in der Lausitz: Jänschwalde, 15 Kilometer nördlich von Cottbus. Der Strom, der hier erzeugt wird, reicht jedes Jahr für 5,7 Millionen Haushalte.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Raus aus der Braunkohle? In der Lausitz gibt es außer Kohle nicht viel. Fünf Menschen über ihre Angst, für die Energiewende geopfert zu werden.

Protokolle von Cornelius Pollmer

Ein Viertel des deutschen Stroms kommt aus der Braunkohle. 60 Millionen Tonnen werden jährlich in der Lausitz abgebaut, die neben dem Niederrhein das zweite Revier in Deutschland ist.

Andreas Rösel (Hausverwaltung Kraftwerk Schwarze Pumpe) und Sohn Tom Rösel (Schichtmeister Elektrobetrieb Kraftwerk Jänschwalde)

Andreas Rösel: Ich bin seit fast 41 Jahren in der Energiewirtschaft. Wegen der Altkraftwerke war zu DDR-Zeiten schon ordentlich Dampf in der Luft, da ist die Umwelt hart geprüft worden. Deswegen verstehe ich nicht, wenn heute auf unsere Kraftwerke geschimpft wird. Ich war nach der Wende einfach sehr froh, eine Perspektive für mich und meine Familie zu haben. Ich habe hier Haus, Grundstück, Hund und Katze - und die Jobs im Kraftwerk waren die sichersten und besten Arbeitsplätze, die man kriegen konnte. Als Vater habe ich da natürlich geschaut, dass der Sohn nicht Friseur wird.

Braunkohleausstieg: Andreas Rösel

Andreas Rösel

(Foto: Cornelius Pollmer)

Tom Rösel: Als ich meine Ausbildung begonnen habe, kamen bei den Bewerbungen noch 1200 Leute auf 20 Plätze, das sieht heute schon anders aus. Trotzdem: Diese Industrie bedeutet für die Region alles. Aus meinem Abiturjahrgang ist noch ein Achtel hier, und alle leben direkt oder indirekt von der Branche. Es ist eine super Ausbildung, es gibt gutes Gehalt, mal ehrlich, deswegen bin ich auch hier geblieben. Wenn das mal zu Ende geht,dann muss ich meine Zelte einpacken. Wir haben hier keine Großindustrie, nichts Vergleichbares.

Braunkohleausstieg: Tom Rösel

Tom Rösel

(Foto: Cornelius Pollmer)

Ich fühle mich durchaus in der Lage, in die Welt auszuwandern, aber ich bin eben heimatverbunden. Und das war ja auch der kleine Generationenvertrag mit meinem Vater: Wir haben zusammen ein Haus umgebaut, und das haben wir nur gemacht, weil es hier eine gewisse Sicherheit gibt. Vor zehn Jahren hat ja keiner gesagt, dass wir hier Knall auf Fall aus der Kohle aussteigen sollen. Ich bin im Kraftwerk Jänschwalde, das ist ein Industriegigant vor dem Herrn. Deswegen habe ich es schon mit der Angst bekommen, als in den Jamaika-Sondierungen auf einmal die 7 Gigawatt auf dem Tisch waren, die bei der Braunkohle eingespart werden sollten. Es hätte mein Kraftwerk zuerst getroffen. Deswegen waren wir auch in Berlin und haben bei der Mahnwache mitgemacht. Ich wollte von den Leuten direkt hören: Hier, deinen sicheren Job in deiner Heimat, den geben wir jetzt auf.

Andreas Rösel: Die Politik hatte ja auch gehofft, der Energieverbrauch würde mal zurückgehen. Wir haben aber immer mehr technische Geräte, und jetzt soll auch noch die Elektromobilität durchgesetzt werden. Die Braunkohle ist die einzige Energiequelle, die wir unabhängig vor Ort haben. Bei all den Putins in der Welt ist das vielleicht nicht ganz unwichtig. Mein Sohn und ich sind politisch aufgeklärt, wir wählen nicht mal schnell irgendwas. Aber ich sage Ihnen, die Rede des neuen AfD-Abgeordneten im Bundestag für die Region, sein Appell für die Energiewirtschaft, der ist hier durchs Haus gegangen. Von mir aus kann man auch von Bauernfängerei reden.

Tom Rösel: Wir sind ein christlich geprägter Haushalt, von Anfang an. Ich bin konfirmiert, mein Vater und ich haben immer die Entscheidungen der CDU mitgetragen, diese Politik hat mich immer angesprochen, auch der Touch des Konservativen, des Verlässlichen. Als ersten Aussetzer von der Kanzlerin habe ich den ad-hoc-Ausstieg aus der Atomkraft empfunden, und trotzdem war die CDU weiter meine Partei. Jetzt wieder, über Nacht, 7 Gigawatt. Der Weg zu den Erneuerbaren ist schon der Richtige, das bestreite ich gar nicht, aber ohne Speicher können wir auf konventionelle Kraftwerke einfach nicht verzichten. Mir kocht die Halsschlagader, wenn jemand sagt, wir müssten sofort auf fossile Brennstoffe verzichten.

Sehen Sie mal hier, eine Übersicht zum Stromverbrauch in Deutschland, zum Beispiel am 11. Dezember 2017, 8 Uhr: 80 Gigawatt waren da angefordert, 20 Gigawatt davon konnten durch die Erneuerbaren geleistet werden. Ich kann nicht verstehen, wie man solche Zahlen ignorieren kann. Die Realität hinkt den Träumen der sofort vollzogenen Energiewende hinterher.

Andreas Rösel: Natürlich ist der Kohleabbau eine Belastung für die Umwelt. Aber die Leute hier in der Region leben seit 100 Jahren damit und gehen mit den Schwierigkeiten gut um, auch in der Landschaft.

Tom Rösel: Wenn jemand sagt, in der Lausitz sei alles verwüstet, dann soll er bitte herkommen und mal mit mir Fahrrad fahren. Es wurde in den letzten Jahren viel gemacht, Flussauen wurden angelegt, 6000 Rotbauchunken umgesiedelt, was weiß ich noch. Die Rekultivierung wird im großen Maßstab umgesetzt.

Andreas Rösel: Wir haben immer gedacht: Wir werden gebraucht, uns kann nichts passieren, wir sind wettbewerbsfähig, wir sind nun mal die billigsten. Aber politisch kann man uns das Genick brechen, und damit muss man rechnen, wenn sich die politische Meinung nur noch in großen Städten bildet, wo die Menschen gar keinen Bezug mehr haben, sei es zur Landwirtschaft oder eben zur Stromerzeugung.

Heiko Herrmann und Frank Schott, beide Schichtleiter im Kraftwerk Jänschwalde:

Braunkohleausstieg: Heiko Herrmann.

Heiko Herrmann.

(Foto: Cornelius Pollmer)

Herrmann: Als Blockleiter ist man für die Steuerung des ganzen Kraftwerks zuständig. Ich sag immer: Das ist meine Enterprise. Ich habe erlebt, wie das Kraftwerk hier entstanden ist, ich habe erlebt, wie Kohl 1994 zur Grundsteinlegung der Rauchgasentschwefelung kam. Da haben wir uns schon geehrt gefühlt, als der hier mit dem Hubschrauber kam und sich alles angeschaut hat. In den letzten Jahren ist aus der Wertschätzung ein gewisser Hass geworden, gerade in den Medien. Da frage ich mich manchmal: Was haben wir euch denn getan?

Ich lese sehr viele verschiedene Medien und schaue, wie der Beruf des Kohle- und Energiearbeiters dargestellt und wahrgenommen wird. In der Lokalpresse ist schon mal von Dreckschleuder die Rede und vom "vorsintflutlichen Kraftwerk Jänschwalde". Man darf doch bitte nicht vergessen, dass wir technisch immer auf dem neusten Stand gehalten werden und alle Gesetze einhalten. Wenn auf der Autobahn 100 erlaubt sind und Sie fahren 95, sind Sie dann ein Raser?

Schott: Das fängt im Grunde schon in der Schule an. Mein Sohn sollte vor Jahren mal so eine Hausarbeit über die Energiewirtschaft schreiben, am Ende hat er eine schlechte Note bekommen, weil die Position des Lehrers war: Kohle ist Dreck. Zusammenhänge haben ihn nicht sonderlich interessiert. Das ist ja inzwischen der allgemeine Tenor: Wir machen Dreck, und nebenbei fällt ein bisschen Strom ab. Nein, wir erzeugen elektrische Energie.

"Die 7 Gigawatt bei den Sondierungen, das war der Irrsinn in Tüten"

Herrmann: Es ist in der Gesellschaft hip geworden, grün zu sein. Die Grünen sind ja nicht mehr die Partei der Pulloverstricker, es ist die Partei derer, die es geschafft haben. Dahinter steht auch ein riesengroßer Markt, und damit der schön grün bleibt, muss ich anderes madig machen. Es ist irgendwie in geworden, gegen die Braunkohle zu hetzen. Ich bin hier geboren, ich kenne das Erschließen von Tagebauen und auch deren Rekultivierung, ich kenne die Probleme. Die braune Spree zum Beispiel, das ist mit Sicherheit ein Problem, da müssen wir gegen vorgehen - aber da hilft keine Hetze und kein Meinungsimport.

Schott: Wir brauchen hier in der Lausitz doch eine Perspektive. Niemand kann sich vorstellen, wie das hier funktionieren soll, wenn die Braunkohle mal nicht mehr ist. Die Politik redet von Strukturförderung, aber das tut sie schon seit 25 Jahren, und es ist seitdem ja nur noch weniger geworden. Da wird auch nichts passieren, selbst wenn die Kanzlerin 100 Millionen Euro hierhin schickt. Es wird zappenduster, wenn die Energiebranche mal nicht mehr ist. Das fängt beim Bäcker an und hört beim Taxi auf, die ja indirekt auch davon profitieren.

Braunkohleausstieg: Tom Schott.

Tom Schott.

(Foto: Cornelius Pollmer)

Herrmann: Ich lasse malern bei mir, ich kaufe eine Küche, von meinem Geld kann hier auch der Mittelstand leben - dieses Geld ist dann weg. Wenn Müller, Meier, Schulze oder eben Herrmann keinen Job mehr haben, dann hat Meister Klecks auch keinen Job mehr. Und gehen Sie im Osten mal die Landkarte mit dem Finger lang. Es gibt die PCK-Raffinerie in Schwedt, im Süden BASF und es gibt uns - das sind drei große Arbeitgeber, und dann ist erst mal Schluss. Man kann auch nicht sagen, dass dem Weltklima geholfen wird, wenn hier in der Lausitz ein Kraftwerk zugemacht wird. Klimapolitik muss man doch europäisch verstehen, oder gleich global. Was wir hier betreiben, ist lokale Klimapolitik.

Schott: Diese 7 Gigawatt bei den Sondierungen, das war der Irrsinn in Tüten. Und das ist ja so typisch für Politik. Die geben Ziele aus, haben aber keinen Plan, wie diese dann erreicht werden sollen. Ein Ziel ohne Plan ist nur ein Wunsch. Und man muss doch gerade in diesem Fall mal sagen: Elektrische Energie muss just in time geliefert werden, nicht mal die Milch wird so schnell sauer. Was wir in dieser Sekunde verbrauchen, muss in selbiger erzeugt werden und das können die Erneuerbaren nicht leisten. Im Grunde passen die erneuerbaren Energien und das Produkt Strom in etwa so gut zusammen wie der Teufel und das Weihwasser. Es bräuchte einen Speicher, nur den kann keiner bezahlen.

Herrmann: Aber danach fragt keiner. Und es fragt auch keiner, was es bedeutet, wenn wir erst Containerbahnhöfe ohne Ende zumachen und auf der Autobahn jetzt die Dieseltrucks jeden Tag wie an einer Perlenkette aufgereiht fahren. Warum setzt man da nicht mal jemanden an? Da gibt es eben einen gewissen Lobbydruck. Und was uns betrifft: Das hat schon die Inquisition im Mittelalter gemacht, mit bösen Worten die Leute auf ihre Seite gebracht: Dreck, Gift, Tod. Und heute ist es auch so. Gleichzeitig werden Futtermittel verfeuert für Treibstoffe. Dabei sind wir mit unserem Kraftwerk schon jetzt in einer gewissen Partnerschaft mit den Erneuerbaren Energien, wir fahren flexibel viel Leistung, wenn kein Wind und weniger Leistung, wenn viel Windenergie im Netz ist. Das verstehe ich unter Partnerschaft. Nicht unter Partnerschaft verstehe ich, dass hier alles plattgemacht wird und wir aus Polen dann Kohlestrom und aus Frankreich Atomstrom importieren.

Schott: Wir begeben uns dann zwangsläufig in Abhängigkeiten, die wir nicht wollen. Es ist ja nicht nur Fernsehen, Handy oder Licht. Sie können heute nicht mal mehr aufs Klo gehen, wenn es keinen Strom gibt. Gut, der erste kann noch! Aber dann... Viele schätzen das gar nicht mehr wert, dabei ist elektrische Energie in unserer zivilisierten Gesellschaft inzwischen fast so notwendig wie das Atmen.

Braunkohleausstieg: Karola Hipko

Karola Hipko

(Foto: Cornelius Pollmer)

Karola Hipko, Hauptverwaltung Bergbau in Cottbus:

Mich stört, dass bei uns jetzt die Ursache für alles Schlechte gesucht wird. Ich finde es übrigens normal, dass sich das Klima wandelt. Das Klima hat sich schon immer gewandelt. Das ist das Normalste der Welt. Für Photovoltaik und Solarenergie werden riesige Schneisen geschlagen und gleichzeitig wird CO₂ als eine Art Giftgas dargestellt - man kann es auch übertreiben. Wir sind ein Land mit guten Ingenieuren, deswegen würde ich die Aufgabe in der Forschung sehen, Lösungen zu finden.

Wir brauchen hier langfristig verlässliche Rahmenbedingungen, ein Unternehmenskonzept macht man nicht für drei Jahre, bei uns im Bergbau macht man das eher für 30 Jahre. Wir haben die saubersten und effizientesten Kraftwerke weltweit, und dann führt die Politik eine Diskussion darüber, die abzuschalten. Das ist schizophren. Da sollten doch lieber andere, die noch mehr Kraftwerke betreiben, etwas abgeben. Unsere Bergbau-Ingenieure waren jetzt in Serbien und der Türkei, um dort zu erklären, wie es besser geht. Ist das denn nichts?

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