Brasilien:Brasiliens Senat verschiebt Abstimmung um Amtsenthebung von Dilma Rousseff

  • Statt wie geplant am Dienstagabend wird der brasilianische Senat erst am späten Mittwochvormittag (16 Uhr deutscher Zeit) darüber abstimmen, ob Präsidentin Dilma Roussef im Amt bleiben darf.
  • Wie in einem Gerichtsprozess hatte der Senat seit Tagen die Vorwürfe gegen Rousseff erörtert, die bereits im Mai suspendiert worden war.
  • Roussef selbst bezeichnet das Verfahren als Putsch, auch viele internationale Beobachter glauben, dass es politisch motiviert ist.

Die finale Abstimmung über die Amtsenthebung der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff im Senat wird erst am Mittwochnachmittag deutscher Zeit stattfinden. Das sagte der das Verfahren leitende Präsident des Obersten Gerichtshofs, Ricardo Lewandowski, am Dienstagabend nach zwölfstündigen Verhandlungen in Brasília.

Jeder der 81 Senatoren darf in der Schlussrunde zehn Minuten lang seine Beweggründe darlegen, 66 Senatoren hatten das Rederecht angemeldet. Lewandowski sagte, dass die finale Abstimmung erst am Mittwoch um 11 uhr vormittags (16 Uhr deutscher Zeit) stattfinden solle. Die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit von 54 Senatoren für die Absetzung Rousseffs gilt als sicher. Schätzungen gehen von rund 60 Ja-Stimmen aus.

Durch die Verschiebung ist Interimspräsident Michel Temer weiter zum Warten verurteilt. Er will nur als regulärer Präsident zum G20-Gipfel nach China fliegen, es soll der erste große Auftritt auf der internationalen Bühne werden - für die meisten Staats- und Regierungschefs ist er bisher ein unbeschriebenes Blatt.

Roussef bezeichnet das Verfahren gegen sie als Putsch

Wie in einem Gerichtsprozess hatte der Senat seit Tagen die Vorwürfe gegen die Präsidentin Dilma Rousseff erörtert. Die 68-jährige Rousseff war bereits im Mai zur Prüfung der Vorwürfe zunächst suspendiert worden. Ihr Vizepräsident Michel Temer von der Partei der demokratischen Bewegung (PMDB) übernahm das Amt interimsweise. Durch den Bruch der Koalition mit Rousseffs Arbeiterpartei hatte Vizepräsident Temer zuvor die notwendigen Mehrheiten für das Verfahren gegen die Staatschefin organisieren können.

Rousseff sprach in ihrer Verteidigungsrede am Montag von einem "Putsch" und bezeichnete den 75-jährigen Temer als Verräter. Rousseff unterstellte den Senatoren und ihrem wahrscheinlichen Nachfolger Temer, dass sie nicht mit einer Frau an der Staatsspitze abfinden könnten. Und sie erinnerte an ihre Zeit im Folterkeller während der Militärdiktatur. "Ich hatte Todesangst", sagte die frühere Guerillakämpferin. Sie habe immer für eine freie und gerechte Gesellschaft gekämpft - und drohe nun durch eine illegitime Regierung abgelöst zu werden.

Auch international war das Verfahren gegen die Präsidentin umstritten und wird von vielen als politisch motiviert bewertet, um einen Machtwechsel einzuleiten. Temer will mit umfassenden Reformen, Privatisierungen und Kürzungen im Staatsapparat das Land aus einer der tiefsten Rezessionen führen. Gerade einkommensschwache Bürger fürchten drastische Einschnitte bei den Sozialprogrammen - deren Finanzierung sich jahrelang auch aus den hohen Erdöleinnahmen speiste. Allein 2015 war die Wirtschaftsleistung um 3,8 Prozent eingebrochen, Brasilien war zuletzt nur noch die neuntgrößte Volkswirtschaft der Welt.

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