Bräuche:Zum Plausch in den Stall

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In der Osternacht lässt sich mit dem Vieh reden, so besagt das zumindest ein alter Volksglaube. Wer das allerdings tun will, muss wissen, dass dies mit Risiken verbunden ist.

Von hermann unterstöger

Zeitungstexte verdanken ihr Dasein nicht selten der Oral History. So auch dieser. Zu Beginn der Karwoche erzählte ein Kollege mit ländlichem Hintergrund einem städtisch geprägten Kollegen, dass die Bauern früher in der Osternacht das Vieh im Stall besucht und - Wunder dieser Nacht - mit den Tieren geredet, ihnen zumindest zugehört hätten. Wie authentisch der Bericht ist, sei dahingestellt, aber er entspricht dem einst verbreiteten Volksglauben, dass das Vieh in manchen Nächten der Sprache teilhaftig werde. In der Regel passiert das in den Raunächten um den Jahreswechsel, oft an Sonnwend, warum nicht auch an Ostern? Man sollte aber wissen, dass Leute, denen die Tiere etwas sagen, meist den nächsten Morgen nicht erleben. Also Vorsicht, wenn Ihr Haustier demnächst zum Gespräch ansetzt!

Das Archaische solcher Geschehnisse passt zu der lange für wahr gehaltenen, durch Beda Venerabilis' Schrift "De temporum ratione" begründeten Vermutung, Ostern leite sich von einer germanischen Göttin namens Eostrae alias Ostara her. An dieser durch Jacob Grimm maßgeblich weitergeführten Etymologie hält niemand mehr fest. Dem "Lexikon für Theologie und Kirche" zufolge wurzeln die Osterbräuche so gut wie ausschließlich in der christlichen Feier des Osterfests.

Mit den Elementen des daraus erwachsenen Brauchtums wird bis heute das Fest bestritten, mögen einer säkularen Gesellschaft (und den meisten Christen) deren theologische Hintergründe gleich unbekannt sein. In erster Linie ist hier natürlich das Ei zu nennen, dessen auf Auferstehung und ewiges Leben gerichtete Symbolik vergleichsweise leicht zu begreifen ist und an das sich allerlei Schenk-, Heische-, Spiel- und Zierbrauchtum bindet. Komplizierter wird es mit dem Hasen. Als Eierbringer ist er eine relativ späte Erfindung. Die ihm zugeschriebene und einem Frühlingsfest durchaus angemessene Fruchtbarkeit könnte mitschwingen; das Animalische daran verschwindet aber hinter dem Possierlichen, ja bisweilen völlig Dämlichen seiner in Schokolade gegossenen Gestalt.

Die liturgische Feier des Osterfests gehört zwar nicht zum Brauchtum im banalen Sinn, wird aber von vielen als solches aufgefasst. Die Folge davon ist, dass man sich die Auferstehungsfeier, einst eine verpflichtende, im Morgengrauen stattfindende Festivität von oft monströser Länge, je nach Laune "gönnt" oder nicht, und aus dieser Haltung heraus neigt man wiederum dazu, den Gottesdienst als Event zu sehen und ihn nach Kriterien des Gelingens oder Misslingens zu bewerten.

Einige Geistliche tragen dieser Eventhörigkeit mittlerweile Rechnung, indem sie auf den alten, am Rand der seriösen Seelsorge angesiedelten Brauch des risus paschalis zurückgreifen, des Ostergelächters. Gemeint ist damit die Lizenz, das Kirchenvolk durch schwankhafte, aufs Moralische zielende Kanzelreden, früher Ostermärlein genannt, zu belustigen.

Selbstverständlich steht dahinter die Freude über die Auferstehung des Erlösers. Ob dies auch für die Prügelfreiheit gilt, die Ehegatten im Mittelalter einander für zwei Tage nach Ostern einräumten, kann nur im Familienkreis geklärt werden.

© SZ vom 04.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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