Bolivien:Meister der Verlängerung

Lesezeit: 2 min

Dank einer Änderung der Verfassung darf Präsident Evo Morales ein viertes Mal antreten - dabei regiert er schon jetzt länger als alle anderen Staatschefs in der Geschichte des Landes. Die Opposition spricht von einem "Staatsstreich".

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Boliviens Präsident Evo Morales regiert seit 2006, also fast so lange wie Angela Merkel. Viele Bolivianer sind der Meinung, dass der einstige Kokabauer seine Sache gut macht. Bolivien ist immer noch eines der ärmsten Länder Lateinamerikas, aber entgegen dem regionalen Trend wächst seine Volkswirtschaft seit Jahren stabil. Die Arbeitslosigkeit und die extreme Armut sind deutlich gesunken, die Fortschritte im Bereich der Bildung, der Energieversorgung und beim Ausbau der Verkehrswege unübersehbar. Der Sozialist Morales, 58, hält es deshalb für legitim, dass er noch ein bisschen weitermachen will. Am liebsten bis 2025, wenn sein Land 200 Jahre Unabhängigkeit feiert.

Im Gegensatz zur deutschen Bundeskanzlerin muss er aber nicht nur Wähler und Koalitionspartner davon überzeugen, dass er weiter gebraucht wird. Die bolivianische Verfassung erlaubt zwei Amtszeiten in Serie. Morales plant, 2019 zum vierten Mal anzutreten. Am Dienstag machte das Verfassungsgericht in La Paz dafür den Weg frei. Damit folgten die Richter einem Antrag von Abgeordneten der Regierungspartei MAS, die sinngemäß argumentiert hatten, dass die Verfassung verfassungswidrig sein, weil sie das passive Wahlrecht verletze. Diese Verfassung wurde 2009 von der Regierung Morales selbst eingeführt.

In fast allen Staaten Lateinamerikas sind die Möglichkeiten zur Wiederwahl eines Präsidenten gesetzlich beschränkt. Das ist eine Lehre aus der Zeit der Militärdiktaturen, der Versuch einer Absicherung gegen Autoritarismus, Personenkult und Ämterpatronage. Aber ebenso alt wie diese gut gemeinten Regeln ist auch der Versuch, sie zu umgehen. Gegen die chronische lateinamerikanische Krankheit, die Verfassung an die Karriereplanung anzupassen, sind weder linke noch rechte Präsidenten immun. In Honduras, wo immer noch die Wahl vom vergangenen Sonntag ausgezählt wird, versucht der konservative Staatschef Juan Orlando Hernández, sich über das Wiederwahlverbot hinwegzusetzen. Evo Morales aber ist der unangefochtene Meister auf diesem Gebiet. Schon jetzt regiert er länger als alle anderen Staatschefs in der Geschichte Boliviens.

Als er vor zwölf Jahren erstmals gewählt wurde, sah die damalige Verfassung nur eine Amtszeit vor. Seit der Reform 2009 sind zwei Amtszeiten erlaubt. Morales argumentierte damals, dass mit der neuen Verfassung auch die Zählung seiner Amtsperioden von null beginnen müsse - ein Trick, auf den die meisten Bolivianer gerne hereinfielen, es ging ja voran. 2016 dann wollte sich der nimmermüde Präsident per Referendum einen vierten Turnus genehmigen lassen. Entgegen seinem Kalkül lehnten die Wähler diesen Wunsch aber mit knapper Mehrheit ab. Kurz vor der Abstimmung hatte sein Ansehen wegen einer mutmaßlichen Liebesaffäre inklusive eines unehelichen Kindes schwer gelitten. Seither war Morales auf der Suche nach einem Plan B. Den hat er jetzt offenbar beim Verfassungsgericht gefunden.

Die Opposition ist entrüstet und spricht von einem "Staatsstreich" sowie von "einem neuen Venezuela". Der ewige Evo aber tut so, als könne er die ganze Aufregung nicht verstehen. Er habe doch lediglich gesagt, dass er bereit sei, wenn er vom Volk erneut gerufen werde.

© SZ vom 30.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: