Böhmermann:Türkische Forderung, Böhmermann zu bestrafen, setzt Bundesregierung unter Druck

  • Die Bundesregierung prüft, ob sie der Aufforderung der Türkei folgt und ein Strafverfahren gegen den Satririker Jan Böhmermann einleitet.
  • Regierungssprecher Seibert zufolge wird die Entscheidung nicht durch das EU-Türkei-Abkommen in der Flüchtlingsfrage beeinflusst.

Die Affäre um ein Gedicht des Satirikers Jan Böhmermann stellt die Bundesregierung mitten in der Flüchtlingskrise vor besondere Herausforderungen. Regierungssprecher Steffen Seibert widersprach in Berlin dem seit dem Wochenende immer lauter gewordenen Vorwurf, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidige vor dem Hintergrund des EU-Türkei-Abkommens in der Flüchtlingspolitik die Bedeutung der Presse- und Meinungsfreiheit nicht vehement genug vor der Türkei. Mit Blick auf die Freiheit von Kunst und Presse betonte Seibert: "Die Grundwerte des Grundgesetzes sind unverhandelbar."

Er betonte, die Entscheidung der Bundesregierung werde in keinem Zusammenhang mit dem Abkommen zwischen der EU und der Türkei stehen, in der Flüchtlingskrise enger zusammenzuarbeiten. "Die Lösung der Flüchtlingsfrage ist im gemeinsamen Interesse Deutschlands, der Europäischen Union und der Türkei", sagte Seibert.

Die Türkei hat sich in dem Abkommen bereiterklärt, alle in Griechenland ankommenden Flüchtlinge zurückzunehmen. Im Gegenzug nimmt die EU eine bestimmte Anzahl syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge auf. Seit Inkrafttreten des Abkommens ist die Zahl der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge weiter gesunken.

Seibert: Aufforderung der Türkei wird geprüft

Seibert bestätigte, dass die Türkei eine sogenannte Verbalnote im Auswärtigen Amt eingereicht habe mit der Aufforderung, gegen den ZDF-Moderator ein Strafverfahren einzuleiten. Die Anfrage werde nun geprüft, sagte Seibert.

Hintergrund ist ein als "Schmähkritik" vorgetragenes Gedicht Böhmermanns über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in der ZDF-Sendung "Neo Magazin Royale". Die türkische Regierung bezieht sich mit ihrer Forderung auf Paragraf 103 des Strafgesetzbuchs. Darin heißt es: "Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt (...) beleidigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, im Falle der verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft."

Die Staatsanwaltschaft Mainz nahm in der vergangenen Woche Vorermittlungen auf, nachdem mehr als 20 Anzeigen gegen Böhmermanns Auftritt eingegangen waren.

Die Bundesregierung muss nun dazu Stellung beziehen. Gibt sie der Aufforderung der Türkei statt, nimmt die Staatsanwaltschaft weitere Ermittlungen auf. Seibert sagte, Mitarbeiter von Auswärtigem Amt, Kanzleramt und Justizministerium prüften die türkische Forderung. Auf welcher Ebene die Prüfung laufe, wollte er nicht sagen. Die Minister seien daran zunächst aber nicht beteiligt. Die Prüfung werde "ein paar Tage dauern", aber nicht Wochen. Dem Ergebnis wolle er nicht vorgreifen.

In der Sache hatte sich Böhmermann auch an Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) gewandt. Dieser lehnte eine Stellungnahme mit der Begründung ab, die Anfrage Böhmermanns sei privat gewesen.

Journalistenverband warnt vor Einschränkung der Satirefreiheit

Der Deutsche Journalistenverband warnte davor, "die Satirefreiheit aufgrund diplomatischer Verstrickungen einzuschränken". "Ob man Böhmermanns Satire für gelungen oder verfehlt hält, ist Teil des demokratischen und rechtsstaatlichen Diskurses in einer offenen Gesellschaft", erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Das müsse die Bundesregierung berücksichtigen, wenn sie über Erdoğans Forderung nach strafrechtlichen Konsequenzen berate.

Auch der Schauspieler Dieter Hallervorden solidarisierte sich mit Böhmermann: Er stellte ein Lied ins Internet mit dem Titel "Erdoğan, zeig mich an!"

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