Bob's Friend's Diary:Election Day in Pittsburgh, Pennsylvania

Eine Woche lang hat Robert C. Summers, 35, in München geborener und lebender Amerikaner, seine Erfahrungen im US-Wahlkampf geschildert. Jetzt übernimmt Bobs Freundin Susanne Burger - und erzählt, wie sie den Wahltag in Pittsburgh verbracht hat.

Von Susanne Burger

Heute ist es dann soweit, wir haben Election Day. Gottseidank, denn im Endspurt ging's jetzt ganz schön ab. Die Wahlkampforganisationen haben wohl ihr Schilderarsenal noch geleert: sogar unsere zurückhaltenden Nachbarn haben nun was im Vorgarten stehen: Kerry. Da sind wir aber schon froh.

Das Radio hält sich heute früh ziemlich bedeckt. Wochenlang gab es nur Wahlprognosen auf dem Weg zur Arbeit, heute fast gar nichts.

Wir kommen an der großen Kreuzung am Ardmore Boulevard vorbei. Gestern war da noch bis spät in der Nacht ein älteres Pärchen mit riesigen selbstgemachten Schildern gestanden. "Vote" und "Vote for Kerry". Das war fast schon rührend und sehr beeindruckend.

Eminem ruft per Rap zur Wahl auf

Im Kindergarten unserer Kinder haben viele schon in aller Frühe gewählt und berichten, wie's war - alles zufriedenstellend abgelaufen. Die meisten haben an den alten Stanzmaschinen gewählt.

Sogar die Kinder sitzen am Tisch beim Malen und spekulieren über den Wahlausgang - alles potentielle Kerry-Wähler. Immer wieder hört man, dass das heute die wichtigste Wahl im Leben vieler Amerikaner sei.

Mein Büro ist etwas dunkler die Tage, denn ich zeige dort dem Unigebäude gegenüber mein Kerry-Plakat - auch wenn ich ja als Ausländer gar nicht wählen darf. Gegenüber gibt's ein paar Gesinnungsgenossen, die mir ihr Plakat zeigen.

Mittags fallen mir die vielen Wahlaufforderungen auf - nicht alle sind mit einem Namen verbunden. Tatsächlich haben sich Rekordzahlen für die Wahl registrieren lassen. Habe am Samstag in der Saturday Night Show sogar Eminem gehört: ein kompletter Rapsong nur mit Wahlaufforderungen. Na, wenn das nicht hilft ...

Die arme einzige amerikanische Kollegin meines Mannes, die auch bisher eher nicht wählen ging, wurde von ihren fast ausschließlich deutschen Kollegen dieses Mal regelrecht genötigt, dieses Mal zur Urne zu gehen und auch für den Richtigen zu stimmen. Sie berichtet mir, dass sie das heute morgen auch brav gemacht hat.

Auf der Anti-Watch-Party

Nach dem Lunch ein weiterer Check in den Google News. Immer noch alles ruhig. Anscheinend sind die Medien bei dieser Wahl etwas zurückhaltender, nachdem sie vor vier Jahren, durch verfrühte Siegesberichte die Wahl an der noch wählenden Westküste beeinflusst hatten.

Viele Berichte dagegen über die Angst vor Wahlbetrug und Durcheinander bei den Auszählungen.

Abends dann, wieder im Kindergarten. Überall stehen Grüppchen spekulierender Eltern rum und wünschen sich einen glücklichen Ausgang.

Noch schnell im WholeFoodMarket einen Kuchen gekauft und dann geht's zur Anti-Watch-Party unserer Freundin Mary. Im Gegensatz zu den Watch-Parties soll bei dieser Party gar kein Fernseher laufen und sich keiner nervös machen lassen. Mary selbst ist seit zwei Uhr morgens wach, weil sie schon so aufgeregt ist.

Die Hoffnung nach der ersten Hochrechnung...

Marys Sohn begrüßt uns mit "Happy election day", über dem Kamin prangt ein riesiges Kerry-Edwards Plakat. Die Partygäste sind alle Kerry-Wähler, oder wie wir Freunde von Kerry-Wählern, die selber nicht wählen dürfen.

Man redet natürlich über die Wahl: wie ruhig es im Moment ist, im Vergleich zu vor vier Jahren. Dass man heute von keinen besonderen Vorkommnissen oder Wahl-Irritationen berichten kann. Wer wohl Bush wählt und warum, und dass einem da gar nicht viele Gründe einfallen.

Wir kennen tatsächlich genau eine Familie persönlich, die Bush wählt. Eine sehr konservative Familie, katholisch, acht Kinder, klar gegen Abtreibung. Es gab hier einige katholische Bischöfe, die öffentlich Bush unterstützen, vor allem wegen seiner eindeutigen Anti-Abtreibungs-Haltung. Auch Bushs Steuersenkungen machen sich bei acht Kindern durchaus nett bemerkbar. Alles Spekulationen natürlich, wir wissen nicht, warum sie Bush wählen.

Marys Schwester ruft plötzlich an und gibt die erste Hochrechnung durch: 77 zu 66 electoral votes für Kerry - Hoffnung macht sich breit. Aber es ist wirklich noch früh.

...schwindet zusehends

Zur Nachspeise wird dann doch der kleine Fernseher angeschaltet. Nur Hausantenne, etwas unscharf. Alle Partygäste scharen sich sofort um das Gerät und versuchen die Ergebnisse zu lesen.

Weil die Kinder ins Bett müssen, gehen wir nach Hause. Am heimischen Fernseher entscheide ich mich für CNN, da mir das am wenigsten parteiisch erscheint.

Die Spekuliererei geht los. Kurze Aufregung: Bush sagt was im TV. Er sagt, er werde gewinnen. Man sieht die Bush-Familie beim Fernsehen. Er sieht gut und zuversichtlich aus.

Nach und nach werden die Staaten einer Partei zugeschlagen, entsprechend der ersten Auszählungen. Sieht sehr rot aus und meine Hoffnung schwindet. Wenigstens unser Pennsylvania zeigt ein klares Ergebnis für Kerry. Und wir haben immerhin 21 electoral votes. Oh, und jetzt haben wir California - 197 zu 188 für Bush, das sieht dann doch wieder ein bisschen besser aus.

Jetzt ist es fast Mitternacht und nichts hat sich verändert. Wir warten auf Ohio und Florida und ein paar Staaten in der Mitte. Morgen früh wissen wir dann mehr ...

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