BND:Mal laut, mal leise

Ein Präsident des Bundesnachrichtendienstes wie Bruno Kahl prägt deutsche Außenpolitik mit. Doch er wandelt auf schmalem Grat. Was passieren kann, wenn man an die Öffentlichkeit geht, hat zuletzt sein Vorgänger Gerhard Schindler erlebt.

Von Ronen Steinke, Berlin

Brisante Aufgaben gibt's einige. Wer den Auslandsnachrichtendienst der Bundesrepublik Deutschland führt, der soll spähen, belauschen und hacken lassen. Seine wichtigste Aufgabe aber - und diejenige, die am häufigsten übersehen wird - heißt am Ende unterrichten.

Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes soll alles, was an politisch Interessantem auf der Welt passiert, analytisch verdichten, bewerten und dann diskret den Bundesministerien erläutern. Wer so eine Aufgabe hat, der beobachtet Außenpolitik natürlich nicht nur; der prägt sie auch mit. Auf welch schmalem Grat ein BND-Präsident aber wandelt, wenn er ausnahmsweise an die Öffentlichkeit geht mit seinen Botschaften, das hat zuletzt der ehemalige BND-Chef Gerhard Schindler erlebt. Vor zwei Jahren musste er sich maßregeln lassen aus dem Kanzleramt. Wenig später wurde er abserviert. Schindler hatte sich weit vorgewagt: Am 1. Dezember 2015 hatte er ein Papier zu Saudi-Arabien an Journalisten gegeben, das mit dem Regime in Riad scharf ins Gericht ging. "Die bisherige vorsichtige diplomatische Haltung der älteren Führungsmitglieder der Königsfamilie wird durch eine impulsive Interventionspolitik ersetzt", hieß es darin über den Konfliktherd Nah- und Mittelost. Kurz: Die Saudis sind im Syrien-Krieg ein Teil des Problems.

Nichts davon war falsch. Nichts davon war eigentlich auch geheim. Nur herrscht in Bundesregierungen seit etwa vierzig Jahren die Einigung, Worte über die Herrscherhäuser am Golf in Watte zu packen und insbesondere das reiche Saudi-Arabien nicht in seinem fragilen Ego herauszufordern. Über die Weisheit dieser Haltung lässt sich streiten. Schindler, ein FDP-Mann, brach diesen diplomatischen Komment. Was man im Kanzleramt - obgleich dort jemand das Saudi-Papier zuvor gebilligt hatte - als Rollenüberschreitung ansah.

Der neue BND-Präsident Bruno Kahl ist da anders. Ein in der CDU bestens vernetzter Beamter, setzt Kahl nach außen hin bislang nur solche Botschaften, die das Kanzleramt mit zusätzlicher fachlicher Autorität unterstützen. Beispiel Russland: Das Kanzleramt kritisiert Putins Gebaren besonders seit 2014 deutlich; auch deutlicher, als die jeweiligen SPD-Außenminister dies taten. Kahl unterstützt diese klare Sprache, so in Interviews mit der SZ, mit dem Spiegel, und nun in einer Rede vor der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung in München. Dass es da außenpolitisch mal Reibung mit den vorsichtigeren Leuten im Auswärtigen Amt gibt, schadet ihm nicht.

Interessant ist auch, zu welchen Themen Kahl nichts sagt. Beispiel Golf: Was die Machtpolitik der dortigen Öl-Monarchien angeht, ist der BND-Chef in der Öffentlichkeit so leise wie das Kanzleramt, auch auf Nachfragen hält er sich bedeckt. Je kontroverser das Thema, desto zurückhaltender die Sprache. Was die Wandlung der Türkei hin zu einer autoritären Autokratie angeht, spart Kahl ebenfalls mit Bewertungen. Kein Zufall in diesen Wochen: Das Kanzleramt, aber auch das Außenministerium bemühen sich im Verhältnis mit Ankara um Deeskalation. Der BND-Chef auch. Auf seine Weise.

Erst seit Mitte der Neunzigerjahre zeigt der BND überhaupt derart Gesicht. Heute hat der BND ein so hohes Budget wie noch nie, soeben sind die ersten 400 seiner Leute in den wuchtigen neuen BND-Bau in Berlin-Mitte eingezogen; es gibt Druck, dies vor der steuerzahlenden Bevölkerung auch zu legitimieren. Dabei ist der BND-Chef Kahl öffentlich noch immer deutlich zurückhaltender als etwa sein Kollege vom Inlandsnachrichtendienst, dem Bundesamt für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen.

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