BND im Irak:Vergiftetes Lob - zielgenau präsentiert

Aussagen amerikanischer Militärs zur Rolle des BND im Irak bringen den Außenminister in Erklärungsnöte. Frank-Walter Steinmeier, einst Chef des Bundeskanzleramts, muss im Untersuchungsausschuss kämpfen.

Peter Blechschmidt

Frank-Walter Steinmeier (SPD) steht unter Druck. Anders ist die Vehemenz nicht zu erklären, mit der seine Verteidiger im BND-Untersuchungsausschuss des Bundestags gegen eine Veröffentlichung im Spiegel zu Felde ziehen, welche die Glaubwürdigkeit der rot-grünen Regierung Schröder /Fischer und ihres damaligen Kanzleramtschefs Steinmeier im Irak-Krieg 2003 in Frage stellen.

BND im Irak: US-General Tommy Franks bringt Frank-Walter Steinmeier in Bedrängnis. (Archivbild)

US-General Tommy Franks bringt Frank-Walter Steinmeier in Bedrängnis. (Archivbild)

(Foto: Foto: AP)

Der heutige Außenminister muss an diesem Donnerstag als Zeuge vor dem Ausschuss zum Einsatz zweier Agenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Bagdad im Frühjahr 2003 aussagen. Über dem Spiegel-Artikel ist es auch zum offenen Krach zwischen den Koalitionspartnern Union und SPD gekommen.

Seit drei Monaten befasst sich der Ausschuss mit dem BND-Einsatz in Bagdad. Die Opposition aus FDP, Linkspartei und Grünen arbeitet sich dabei vor allem an der Frage ab, welche jener 130 Meldungen, die das Sondereinsatzteam (SET) zwischen Februar und April 2003 an die BND-Zentrale in Pullach geliefert haben, an die Amerikaner weitergegeben wurden und wie relevant sie waren für die Kriegführung der USA. Das wird zum Maßstab dafür, ob die Geheimdienst-Zusammenarbeit mit den USA im Widerspruch zur erklärten Politik der rot-grünen Regierung stand, sich nicht am Irak-Krieg zu beteiligen.

Zwei Dutzend BND-Mitarbeiter und auch ihr ehemaliger Chef, der heutige Innenstaatssekretär August Hanning, haben ausgesagt, dass ihre Meldungen sehr wohl militärisch bedeutsam waren. Schließlich wollen sie nicht, dass ihre Arbeit und vor allem der durchaus lebensgefährliche Einsatz des SET im Nachhinein abgewertet werden.

"Extrem wichtige und wertvolle" Informationen

Demgegenüber wird der Wortführer der SPD im Ausschuss, Michael Hartmann, nicht müde zu betonen, "keine einzige Bombe" sei aufgrund einer BND-Meldung gefallen. Die Kooperation mit den USA sei keineswegs eine Beteiligung am Krieg. Diese Position dürfte auch Steinmeier an diesem Donnerstag einnehmen.

Nun präsentierte der Spiegel am vergangenen Wochenende einen Kronzeugen dafür, dass die BND-Informationen für die USA bedeutsam waren. "Extrem wichtig und wertvoll" seien sie gewesen, sagt der ehemalige US-General James Marks in einem Interview des Magazins. Marks war seinerzeit Chef der Aufklärung der US-Bodentruppen.

Eine Meldung der Agenten über die möglicherweise bevorstehende Sprengung von Ölanlagen im Nord-Irak habe dazu geführt, dass der Kriegsbeginn vorgezogen worden sei. Wegen einer Information über Flugabwehrgeschütze sei ein geplanter Angriff auf den Internationalen Flughafen von Bagdad abgeblasen worden.

Besonders diesen zweiten Hinweis sieht die SPD als Beleg dafür, dass die Aussagen des Generals nicht stimmen können. Marks erinnert sich in dem Interview an ein Foto, das angeblich eine Stellung von Roland-Luftabwehrraketen an einem Flugplatz in Bagdad zeigt, aufgenommen von den beiden BND-Agenten aus dem fahrenden Auto heraus und an die Pullacher Zentrale gesendet am 16. Februar 2003.

Kann gar nicht sein, sagen die Sozialdemokraten. Das Foto und die dazu gehörige Meldung des SET seien nie an die Amerikaner gegangen. Außerdem stamme es von dem damals schon stillgelegten Flugplatz Muthanna. Wie könne es dann dazu beigetragen haben, einen Angriff auf den weit entfernt liegenden Internationalen Flughafen abzusagen?

Darüber hinaus verweisen die Sozialdemokraten darauf, dass Marks zu einer Gruppe von 75 ehemaligen Militärs gehört, die im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums als Experten im Fernsehen auftraten, um die Öffentlichkeit im Sinne der Regierungspolitik zu beeinflussen. Dass kurz vor den Auftritten prominenter Politiker im Ausschuss plötzlich amerikanische Zeugen auftauchten und die deutsche Regierungsposition in Frage stellten, habe schon "Methode", sagte Hartmann am Mittwoch.

Streit zwischen SPD und Union

Am Mittwoch legte der Spiegel noch einmal nach. In seiner Online-Ausgabe zitierte er nun den damaligen US-Oberbefehlshaber Tommy Franks. "Es wäre ein großer Fehler, den Wert der Informationen zu unterschätzen, die die Deutschen geliefert haben", erklärte Franks laut Spiegel am Montagabend. "Diese Jungs waren unbezahlbar."

Alle Parteien sind sich einig, dass sie Marks am liebsten selbst hören würden, wozu man ihn als Ausländer aber nicht zwingen kann. Dass sich die SPD so an ihm festbeißt, weckt bei der Opposition den Verdacht, dass mit dem Nachweis vermeintlich falscher Details die grundsätzliche Kritik an der Zusammenarbeit mit den USA als ungerechtfertigt diskreditiert werden soll.

Doch auch die Union sieht in den Äußerungen von Marks eine neue Qualität und fordert Steinmeier auf, die entstandenen Zweifel auszuräumen. Was wiederum die SPD erbost. Sie verweist darauf, die damalige Oppositionsführerin Angela Merkel habe im Dezember 2002 die Bereitschaft Deutschlands gefordert, "notfalls auch militärische Mittel im Irak einzusetzen".

Hartmann erinnerte "die Freunde in der Union" am Mittwoch, "dass sie mit uns im Team spielen, und zwar bis zum Ende der Legislaturperiode". Die junge Obfrau der Union, Kristina Köhler, die schon bisher durch kritische Fragen an die Regierungsvertreter auf sich aufmerksam gemacht hat, dürfte sich davon nicht beeindrucken lassen.

Eine Weisung, Steinmeier zu schonen, gibt es für sie ebenso wenig wie die Empfehlung, den Kanzlerkandidaten der Konkurrenz besonders hart zu attackieren. Steinmeier wiederum will, so ein Vertrauter, "offensiv und selbstbewusst" auftreten. Wann seine Vernehmung beginnen kann, ist offen. Vor ihm sagt noch sein Amtsvorgänger Joschka Fischer aus - Dauer unklar.

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