Gerüchte um deutsches Syrien-Engagement:Boot im Mittelmeer laut Ministerium "kein Spionageschiff"

Das Verteidigungsministerium hat einen Medienbericht zurückgewiesen, wonach es sich bei einem im Mittelmeer kreuzenden deutschen Marineboot um ein "Spionageschiff" handelt - obgleich es der Aufklärungsarbeit diene. Einem Zeitungsbericht zufolge versorgt die mit modernster Spionagetechnik ausgestattete "Oker" unter anderem syrische Rebellen mit Informationen.

Das Bundesverteidigungsministerium hat den Einsatz eines Schiffs der deutschen Marine "in internationalen Gewässern im östlichen Mittelmeer" bestätigt, jedoch verneint, dass es sich dabei um ein "Spionageschiff" handelt.

Es sei "richtig, dass sich ein Schiff derzeit zu einem mehrmonatigen Einsatz in der Region befindet", sagte ein Sprecher zu einem Medienbericht über einen Einsatz des Schiffs vor Syrien. In der Region sei das Flottendienstboot Oker unterwegs, das zu den "Frühwarn-, Fernmelde- und Aufklärungseinheiten" der Marine gehöre. "Es handelt sich hier nicht um ein Spionageboot", sagte der Sprecher. Am Sonntag habe sich die Oker im italienischen Hafen von Cagliari auf Sardinien befunden.

Auf die Frage nach einem Einsatz von Mitarbeitern oder geheimdienstlicher Technik des Bundesnachrichtendiensts (BND) auf dem Schiff antwortete er: "Zu operativen Einzelheiten des aktuellen Einsatzes werden grundsätzlich keine Auskünfte erteilt." Entsprechend äußerten sich auch Sprecher der Bundesregierung und des BND.

Nach Angaben der Bild am Sonntag befindet sich auf dem Schiff modernste BND-Spionagetechnik. Demnach gibt der Geheimdienst gewonnene Erkenntnisse an US- und britische Partnerdienste weiter, von wo aus sie auch an die syrischen Rebellen gelangen sollen. BND-Agenten sind der Zeitung zufolge zudem am türkischen Nato-Stützpunkt in Adana stationiert, von wo aus sie Telefonate und Funkverkehr aus Syrien abhören sollen.

Ohne Kenntnis des Bundestags

Daneben werde der informelle Kontakt zu Quellen im direkten Umfeld der Assad-Regierung gehalten. "Kein westlicher Geheimdienst hat so gute Quellen in Syrien wie der BND", wird ein US-Geheimdienstler in der Zeitung zitiert. Einen BND-Mann zitiert das Blatt mit den Worten: "Wir können stolz darauf sein, welchen wichtigen Beitrag wir zum Sturz des Assad-Regimes leisten."

Das Magazin Spiegel hatte Mitte Januar berichtet, das Flottendienstboot Alster sei zum damaligen Zeitpunkt seit Anfang November mit 85-köpfiger Besatzung im östlichen Mittelmeer zur Informationsgewinnung unterwegs gewesen. Ende Dezember wurde es demnach knapp 30 Kilometer vor der syrischen Küste von einem Kriegsschiff des Landes bedroht. Da es sich nicht um einen bewaffneten Einsatz handelte, war das Schiff ohne Kenntnis des Bundestags unterwegs.

Hilfe vom britischen Geheimdienst

Einem Oppositionsvertreter zufolge unterstützt auch der britische Geheimdienst die syrischen Rebellen mit Informationen über Bewegungen der Truppen. "Der britische Geheimdienst beobachtet die Lage von Zypern aus genau", sagte ein Vertreter der Aufständischen der Londoner Sunday Times. Gesammelte Informationen würden dann an die USA und die Türkei weitergegeben. "Wir bekommen sie von den Türken", sagte der Oppositionsvertreter.

Bereits bei der Verlegung von Regierungstruppen in Richtung der umkämpften nordwestsyrischen Wirtschaftsmetropole Aleppo habe Großbritannien Informationen geliefert. Daraufhin hätten die Rebellen die Armee Anfang August bei der südwestlich gelegenen Stadt Idlib und auf ihrem Weg nach Aleppo hinein "mit Erfolg" angegriffen, sagte der Vertreter der Aufständischen der Zeitung. Großbritannien unterhält auf Zypern zwei unabhängige Militärstützpunkte, auf denen geheimdienstliche Aufgaben wahrgenommen werden.

Verwirrung um Vizepräsidenten

Die Kämpfe zwischen Truppen des Assad-Regimes und Aufständischen gehen unterdessen in mehreren Teilen Syriens mit aller Härte weiter. Gekämpft wurde unter anderem im Damaszener Bezirk Tadamun, in der nördlichen Millionenmetropole Aleppo sowie in den Provinzen Homs, Daraa und Deir as-Saur. Nach Angaben von Oppositionellen starben allein am Samstag mindestens 172 Menschen.

Für Verwirrung sorgten zuletzt Gerüchte, der syrische Vizepräsident Faruk al-Scharaa habe sich vom Regime losgesagt und sei ins benachbarte Jordanien geflüchtet. Das hatte der Nachrichtensender Al-Arabija unter Berufung auf die Rebellen der Freien Syrischen Armee berichtet. Das Büro al-Scharaas dementierte das. Der 73-Jährige war seit Beginn der Aufstände bereits mehrfach für tot erklärt worden.

Der Westen hat vom zerstrittenen Weltsicherheitsrat starken Rückhalt für den neuen UN-Syrienvermittler Lakhdar Brahimi eingefordert. Für einen erfolgreichen Einsatz sei das die Vorbedingung, sagte die EU-Spitzendiplomatin Catherine Ashton. Brahimi tritt die Nachfolge von Kofi Annan an, der sein Mandat zum Monatsende resigniert niederlegt.

Der UN-Sicherheitsrat ist in der Syrienfrage seit Monaten blockiert, weil die Vetomächte Russland und China ein schärferes Vorgehen gegen das Assad-Regime strikt ablehnen.

Russland gegen Flugverbotszone

Der russische Außenminister Sergei Lawrow sprach sich in einem Fernsehinterview gegen die Einrichtung einer Flugverbotszone über Syrien aus. "Das wäre eine Verletzung der Hoheitsrechte, sollte dies Gebiete (im) syrischen Territorium einschließen, und der Charta der Vereinten Nationen", sagte Lawrow Sky News Arabia.

Es gebe Initiativen der Vereinten Nationen, den Flüchtlingen in Zeltlagern auf türkischem und jordanischen Hoheitsgebiet und dem von anderen Ländern zu helfen, erklärte der Minister laut Interviewprotokoll. Doch die Einrichtung von Sicherheitszonen und Flugverbotszonen sei inakzeptabel.

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