BND-Chef:"Die US-Seite hat uns das angeboten"

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Gerhard Schindler äußert sich über ein No-Spy-Abkommen. Was aber stimmt?

Von Thorsten Denkler, Berlin

Gerhard Schindler ist sich offenbar sicher: In den Verhandlungen, die er im August 2013 mit den USA aufgenommen hat, soll es konkret um ein No-Spy-Abkommen gegangen sein, sagte der Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND) am späten Donnerstagabend im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages. "So wie ich es verstanden habe, hat die US-Seite uns das angeboten." Das sei sein Eindruck nach einer Delegationsreise in die USA am 5. August 2013 gewesen. So habe er es auch Kanzleramtschef Ronald Pofalla im Anschluss berichtet. Was Schindler allerdings mit "konkret" meinte, dass wollte oder konnte er in öffentlicher Sitzung nicht preisgeben. Er hat dort allerdings nur mit den Spitzen der US-Geheimdienste verhandelt. Politische Zusagen hatte er offenbar nicht im Gepäck. Schindler versicherte im Ausschuss: "Der Begriff No-Spy ist keine Erfindung der deutschen Seite."

BND-Präsident Gerhard Schindler vor seiner Aussage vor dem NSA-Untersuchungsausschuss in Berlin. (Foto: Gregor Fischer/dpa)

Seine Darstellung widerspricht einer Mail von US-Seite an den deutschen Unterhändler im Kanzleramt, Christoph Heusgen, über die die SZ berichtet hatte. In der Mail aus dem Januar 2014 heißt es unmissverständlich: "Dies wird kein No-Spy-Abkommen werden, und ich glaube, jeder hier auf unserer Seite, hat das auch fortwährend klar zum Ausdruck gebracht." Im August 2013 wollte die Bundesregierung offenbar noch an ein No-Spy-Abkommen glauben. Kanzleramtsminister Pofalla (CDU) verkündete am 12. August, die US-Seite habe eine solche Vereinbarung angeboten. Unklar ist, ob sich diese Aussage allein auf Schindlers Reisebericht bezog.

Präsident Barack Obama sagte schließlich im Mai 2014: "Es ist nicht ganz richtig zu sagen, dass die US-Regierung ein No-Spy-Abkommen angeboten und dann zurückgezogen hat." Richtig sei vielmehr, dass die USA mit keinem Land ein umfassendes No-Spy-Abkommen hätten, auch nicht mit den engsten Partnern.

Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, hat nun in dieser Woche nachgefragt. Von der Bundesregierung wollte sie wissen, was die Kanzlerin dazu gebracht habe, noch am 11. September 2013 - eineinhalb Wochen vor der Bundestagswahl - davon zu sprechen, die Amerikaner seien bereit, ein No-Spy-Abkommen zu verhandeln. Die zurückhaltende Antwort: Es habe Verhandlungen über einen für beide Seiten zustimmungsfähigen Text "im Sinne" eines No-Spy-Abkommens gegeben. In diversen Gesprächen sei zuvor die "grundsätzliche Verhandlungsbereitschaft" zu "solchen Verhandlungen", wie es heißt, "erkennbar geworden". Von dieser Einschätzung "hatte auch die Bundeskanzlerin Kenntnis". Die US-Seite hat sich demnach lediglich Gesprächen nicht verweigert. Daraus hat die Bundesregierung dann abgeleitet, die US-Seite selbst habe ein No-Spy-Abkommen vorgeschlagen. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte im August 2013: "Die mündliche Zusage dazu, ein solches Abkommen abzuschließen, liegt von amerikanischer Seite schon vor."

Die New York Times kommt in dieser Angelegenheit zu einer eindeutigen Bewertung. Ausgehend von den jetzt öffentlichen E-Mails zwischen der deutschen und der amerikanischen Regierung sei die Position der deutschen Seite gegenüber der deutschen Öffentlichkeit "largely a sham" - ein großer Schwindel.

© SZ vom 23.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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