BND-Affäre:Schande für die Demokratie

Bundesnachrichtendienst (BND) in Pullach

Die Einfahrt zum Gelände des Bundesnachrichtendienst (BND) in Pullach.

(Foto: Stephan Jansen/dpa)

Der BND hat langsam jedes Vertrauen verspielt. Der Geheimdienst hat den NSA-Auschuss und womöglich auch das Bundeskanzleramt über seine Zusammenarbeit mit den Amerikanern belogen. Er muss dringend re-demokratisiert werden.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Es ist schwer zu sagen, was die größere Schweinerei ist. Dass der amerikanische Auslandsgeheimdienst NSA dem Bundesnachrichtendienst ohne Absprache Suchbegriffe untergejubelt hat, mit denen er auf deutschem Boden Daten deutscher Bürger und Unternehmen aus dem Internet fischen konnte? Dass der BND offenbar sowohl Kanzleramt als auch die Kontrollgremien des Bundestages belogen hat, als die Sache intern aufflog? Oder dass die Bundesregierung dem Treiben der NSA in Deutschland aus alter Verbundenheit einfach tatenlos zusieht - und bis heute nicht bereit ist, dem sogenannten Partner mal kräftig auf die Finger zu klopfen?

Für die Abgeordneten im Bundestag müssen sich die vergangenen Tage wie eine Serie Ohrfeigen angefühlt haben. Im NSA-Ausschuss versuchen inzwischen Parlamentarier aller Parteien redlich, die Verwicklungen des BND in die von Edward Snowden enthüllte NSA-Affäre zu entwirren. Und sehen sich dabei zunehmend einer Bundesregierung und einem BND gegenüber, die abblocken, einschüchtern, verwässern und vertuschen, wo immer es geht.

Die jetzt offenbar gewordenen Lügengeschichten von sorgfältig gefilterten Selektoren, also den Suchbegriffen wie IP-Adressen und Telefonnummern, machen das Dilemma der Aufklärer deutlich: Sie können mit ruhigem Gewissen so gut wie niemandem mehr Glauben schenken, der da im Untersuchungsausschuss als Zeuge des BND vor ihnen sitzt. So oft haben diese Zeugen dort berichtet, das sie persönlich und der BND insgesamt sich immer an Recht und Gesetz gehalten hätten. So oft mussten die Abgeordneten sich anhören, alles sei in bester Ordnung.

Nichts ist in Ordnung. Der BND führt ein gefährliches Eigenleben. Es ist eine Schande für eine Demokratie, die für sich beansprucht, die Menschenrechte zu achten. Und bisher hat keine Bundesregierung etwas dagegen unternommen.

Menschenrechte müssen für alle gelten

Natürlich müssen Geheimdienste im Geheimen arbeiten können. Aber in einer Demokratie muss es sich der BND gefallen lassen, von den demokratisch legitimierten Institutionen kontrolliert zu werden. Dazu gehört, dass der Bundesdatenschutzbeauftragte regelmäßig einen Blick in die unzähligen Dateien des BND werfen kann. Dazu gehört, dass das parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages, das die deutschen Nachrichtendienste überwachen soll, umfassend über alles informiert wird. Dazu gehört, dass die vom Bundestag eingesetzte G10-Kommission, die Abhöraktionen der Nachrichtendienste genehmigen muss, nicht länger hinters Lichte geführt wird.

Vor allem aber muss sich das Grundverständnis ändern. Die Annahme, nur Deutsche stünden unter dem Schutz elementarer Menschenrechte, wie sie im Grundgesetz festgeschrieben stehen, ist geradezu absurd. In Artikel eins des Grundgesetzes steht: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Nicht: Die Würde des Deutschen ist unantastbar.

Zur Würde gehört auch das Telekommunikationsgeheimnis. Es darf nur unter strengen Bedingungen verletzt werden. Das gilt für den Bäckermeister in Witten-Herbede genauso wie für die afghanische Ärztin in Kabul.

Dem BND und der Bundesregierung sind solche Ideen ein Grauen. Sie würden dazu führen, dass die Vorstellung passé wäre, Ausländer im Ausland seien quasi vogelfrei oder "zum Abschuss freigegeben", wie sich mal ein BND-Zeuge in einem seltenen Moment der Ehrlichkeit im NSA-Ausschuss ausdrückte. Auch für Ausspähaktionen im Ausland muss es Kontroll- und Genehmigungsinstanzen geben. Gerade Geheimdienste müssen unter einem hohen Rechtfertigungsdruck stehen.

Geheimdienste sind wichtig. Unverzichtbar geradezu als Dienstleister der Demokratie. Sie können Gefahren früh erkennen und der Politik helfen, darauf zu reagieren. Es muss klar gesagt werden: Die Arbeit für den BND wird schwerer, wenn auch er aufgefordert ist, sich an universelle Menschenrechte zu halten. Aber niemand hat behauptet, es wäre leicht, in einer Demokratie einen Geheimdienst zu führen. Es wird Zeit für eine Re-Demokratisierung des BND. Ob der jetzige Präsident Gerhard Schindler gefeuert wird oder nicht, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Denn der Fehler steckt im System.

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