Blutiger Einmarsch in Südossetien:Schwere Kämpfe im Kaukasus

Blutige Eskalation des Kaukasus-Konflikts: Russische Truppen rücken in Südossetien ein, um Georgiens Offensive in der abtrünnigen Region zu stoppen.

Der Militärkonflikt in der von Georgien abtrünnigen Region Südossetien hat mit mindestens 1400 Toten und vielen Verletzten im Südkaukasus kriegsähnliche Ausmaße erreicht.

Blutiger Einmarsch in Südossetien: Russland hat nach eigenen Angaben Soldaten in die Hauptstadt von Südossetien geschickt.

Russland hat nach eigenen Angaben Soldaten in die Hauptstadt von Südossetien geschickt.

(Foto: Foto: AP)

Nachdem Georgien am Freitag eine Großoffensive mit Panzern, Kampfjets und Raketen gegen Südossetien gestartet hatte, verstärkte Russland seine Truppen in der Region. "Wir werden den Tod unserer Landsleute nicht ungesühnt lassen. Die Schuldigen werden gebührend bestraft", sagte der russische Präsident Dmitri Medwedjew nach Angaben der Agentur Interfax.

Georgiens Präsident Michail Saakaschwili hatte die Offensive gegen die Region mit der Wahrung der territorialen Unversehrtheit seines Landes begründet und die allgemeine Mobilmachung im Land angekündigt.

Mehr als 1000 Tote

Bei den Kämpfen in Südossetien seien 1400 Menschen ums Leben gekommen, sagte der Präsident der nicht anerkannten Region, Eduard Kokojty. Ein Mitarbeiter des Roten Kreuzes in der südossetischen Hauptstadt Zchinwali sagte: "Alles brennt, vieles ist zerstört."

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie Vertreter der NATO und der EU riefen die Konfliktparteien zum Ende des Blutvergießens auf. In Telefonaten mit Medwedew und Saakaschwili forderte die Bundeskanzlerin beide Seiten am Freitag auf, die Gefechte unverzüglich einzustellen, wie der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg am Abend mitteilte.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zeigte sich "entsetzt" über "Kampfhandlungen, die in einen handfesten Krieg münden könnten". Er hatte vor kurzem bei einem Besuch in der Region für einen Plan zur Beilegung des Konflikts um die ebenfalls von Georgien abtrünnige Republik Abchasien geworben, allerdings ohne greifbares Ergebnis.

USA wollen sofortige Waffenruhe

Die US-Regierung rief zu einer sofortigen Waffenruhe und zu einer Wiederaufnahme des Dialogs zwischen den Konfliktparteien auf. Zugleich bekräftigte sie, dass die USA die territoriale Integrität Georgiens unterstützten. "Wir dringen bei allen Parteien - Georgier, Südosseter und Russen - darauf, die Spannungen zu entschärfen und einen Konflikt zu vermeiden", sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Dana Perino. Ähnlich äußerte sich auch das US-Außenministerium sowie die beiden Präsidentschaftskandidaten Barack Obama und John McCain.

In New York kam angesichts der dramatischen Entwicklung in Georgien der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am Freitagabend erneut zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen.

Die Kampfhandlungen gingen mit unverminderter Härte in Südossetien weiter. In Georgien wurden am Abend die russischen Fernsehsender abgeschaltet, die Regierung in Tiflis begründete dies mit angeblich antigeorgischer Propaganda. Außerdem zog Saakaschwili die Hälfte seiner im Irak stationierten 2000 Elitekämpfer ab, um sie in einem drohenden Krieg in seinem Land einzusetzen.

Hunderte friedlicher Bewohner gestorben

Abchasien bot Südossetien Militärhilfe an. Russland hatte stets erklärt, dass die Anerkennung der ehemaligen serbischen Provinz Kosovo für die Territorialkonflikte in der Ex-Sowjetunion nicht folgenlos bleiben könne. Das russische Fernsehen zeigte den ganzen Tag das Feuer von Raketenwerfern, in Zchinwali gingen Menschen in ihren Kellern in Deckung. Georgien erhebt seit langem den völkerrechtlich verankerten Anspruch auf die abtrünnige Region. "In Zchinwali sind hunderte friedliche Bewohner gestorben. Das ist bereits der dritte Völkermord an dem ossetischen Volk, der von Georgien verübt wurde", sagte Kokojty.

Er forderte zugleich die internationale Anerkennung der Unabhängigkeit Südossetiens. Es gab unterschiedliche Angaben zur Situation im massiv beschossenen Zchinwali. Während Georgien erklärte, die Stadt eingenommen zu haben, hieß es in Moskau, Georgien ziehe sich zurück. "Der Haupttäter ist Saakaschwili", betonte Kokojty.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow warf der internationalen Gemeinschaft vor, bei der Aufrüstung Georgiens tatenlos geblieben zu sein. Er warf der Regierung in Tiflis gezielte Aggression gegen Zivilisten in Südossetien vor. Nach Angaben der Agentur Itar-Tass sprachen der russische Regierungschef Wladimir Putin und US-Präsident George W. Bush bei einem Treffen am Rande der Olympia-Eröffnung in Peking über den Konflikt. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz in Genf forderte freien Zugang zu den Verletzten in Südossetien.

Flüge eingestellt

Das russische Verkehrsministerium kündigte an, alle Flüge nach Georgien einzustellen. Auch die Lufthansa strich ihren nächsten Flug nach Georgien. Das Auswärtige Amt in Berlin gab eine Reisewarnung heraus.

Moskau hatte den Großteil der Bewohner von Südossetien in den vergangenen Jahren mit russischen Pässen ausgestattet. Georgien warf Russland daraufhin vor, das völkerrechtlich zu Tiflis gehörende Südossetien annektieren zu wollen. Kokojty hatte wie die abtrünnige Region Abchasien eine international anerkannte Unabhängigkeit nach dem Vorbild Kosovos gefordert.

Südossetien, das etwa eineinhalb Mal so groß wie das Saarland ist, hatte zu Sowjetzeiten weitgehende Autonomie über die eigene Sprache und Bildung. Der Widerstand georgischer Nationalisten mündete Anfang der 90er Jahre jedoch in einen blutigen Militärkonflikt.

Georgien und Russland schlossen 1992 ein Waffenstillstandsabkommen, in dessen Folge die Schaffung einer Gemischten Kontrollkommission mit je 500 russischen, georgischen und nordossetischen Soldaten vereinbart wurde. Das Abkommen hielt nur bis 2004. Im Juli und August 2004 starben Dutzende Menschen bei Gefechten in der Konfliktzone.

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