Bischöfin Jepsen tritt zurück:"Meine Glaubwürdigkeit wird angezweifelt"

Die Hamburger Geistliche Maria Jepsen soll seit 1999 von Missbrauchsvorwürfen gegen einen evangelischen Pastor gewusst und den Fall vertuscht haben. Nun hat die Bischöfin ihr Amt niedergelegt - obwohl sie sich keiner Schuld bewusst sein will.

Matthias Drobinski

Die Hamburger Geistliche Maria Jepsen soll seit 1999 von Missbrauchsvorwürfen gegen einen evangelischen Pastor gewusst und den Fall vertuscht haben. Nun hat die Bischöfin ihr Amt niedergelegt - obwohl sie sich keiner Schuld bewusst sein will.

Maria Jepsen

"Nicht in der Lage, die frohe Botschaft so weiterzusagen, wie ich es versprochen habe": Maria Jepsen, Bischöfin der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche, erklärt bei einer Pressekonferenz ihren Rücktritt. 

(Foto: ap)

Jepsen sagte: "Meine Glaubwürdigkeit wird angezweifelt. Von daher sehe ich mich nicht in der Lage, die frohe Botschaft so weiterzusagen, wie ich es bei meiner Ordination und bei meiner Bischofseinführung vor Gott und der Gemeinde versprochen habe". In Nordelbien wird einem Geistlichen im Ruhestand vorgeworfen, von Ende der 70er bis Mitte der 80er Jahre seine eigenen Stiefkinder und darüber hinaus mehrere Jugendliche in Ahrensburg sexuell missbraucht zu haben.

Versetzung, aber kein Disziplinarverfahren

Der Kirchenvorstand spricht von derzeit sieben bekannten Opfern und von einem Mittäter; die Vereinigung "Missbrauch in Ahrensburg" schätzt die Zahl der missbrauchten Kinder und Jugendlichen auf mindestens 50 bis 60. Nach Angaben der nordelbischen Kirche sind die Fälle erst in diesem März der Kirchenleitung durch den Brief einer betroffenen, heute 46-jährigen Frau bekanntgeworden, die nach eigenen Angaben von dem Pastor im Alter von 16 bis 20 Jahren sexuell missbraucht worden war.

Der Spiegel allerdings hatte am Montag berichtet, die Frau und eine mittlerweile pensionierte Pröpstin hätten sich bereits 1999 an Bischöfin Jepsen gewandt. Der Pastor sei daraufhin aus der Gemeinde genommen worden, aber noch bis zum Jahr 2000 als Religionslehrer und Seelsorger in einem Jugendgefängnis eingesetzt worden. Die damalige Stormarner Pröpstin Heide Emse habe zwar für die Versetzung des Pastors gesorgt, aber kein Disziplinarverfahren eingeleitet; über die wahren Gründe der Versetzung habe die Kirchenleitung bis 2010 geschwiegen. Nach Aussage von Jepsen sei sie von Emse aber lediglich über ein beendetes außereheliches Verhältnis des Pastors zu einer erwachsenen Frau informiert worden.

"Bei Missbrauch hätten Alarmglocken geklingelt"

Die Bischöfin hatte die Darstellung, sie habe schon früh von den Missbrauchsvorwürfen gewusst, bestritten. Am Mittwoch sagte sie in einem Interview, soweit sie sich erinnere, habe ihr eine Zeugin 1999 lediglich erzählt, die Geschichte mit den Frauen und dem Pastor sei noch nicht vorbei. Eine Nachfrage beim Personaldezernat habe den Vorwurf nicht bestätigt. Wäre 1999 vom Missbrauch Minderjähriger die Rede gewesen, hätten bei ihr die Alarmglocken geläutet. Dem aber widersprach am Donnerstag die Schwester jenes Opfers, das sich im März offenbart hatte: Sie habe am Rande des Kongresses "Bei aller Liebe - Gewalt im Geschlechterverhältnis" 1999 in Lübeck die Bischöfin angesprochen und auf einen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch den Ahrensburger Pastor hingewiesen. Jepsen habe daraufhin gesagt, sie wolle sich um den Fall kümmern.

Die heute 65-jährige Maria Jepsen wurde 1992 Bischöfin in Hamburg. Sie war die erste lutherische Bischöfin weltweit. 2002 wählte die Synode der nordelbischen Kirche sie für eine weitere zehnjährige Amtszeit. Sie war eine der prominentesten Vorkämpferinnen für die Gleichstellung der Frau in der Kirche. Jepsen setzte sich für die Legalisierung homosexueller Lebensgemeinschaften ein und forderte Solidarität mit den Armen, Arbeits- und Obdachlosen.

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