Biografie:Hitler für Jugendliche

Adolf Hitler bei einer Rede, 1934

Adolf Hitler bei einer Rede, 1934

(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Vom Versager zum Massenmörder zum Untoten: "Adolf H.", eine anspruchsvolle Biografie für jüngere Leser, spannt den Bogen von der beklemmenden Kindheit Hitlers bis zu seinem Ende im Bunker.

Von Joachim Käppner

Ist Hitler "zu einem Popstar geworden"? Das schreibt der Historiker Thomas Sandkühler in seiner Biografie des Diktators, die sich ausdrücklich an junge Menschen richtet und damit die erste ihrer Art sein dürfte. In den Medien ist Hitler ohnehin allgegenwärtig. Jugendliche sind in der - wenn man es so nennen will - Popkultur ständig mit der Figur des Diktators konfrontiert.

Sie lesen Er ist wieder da, jenen seltsamen Bestseller über Hitlers fiktive zweite Karriere; sie sharen das Video Adolf, die Nazisau vom Comiczeichner Walter Moers, lachen über Gerhard Polts Adaption einer Hitlerrede, worin der Künstler den "Führer" über einen missglückten Leasingvertrag toben lässt.

Ohne gruseligen Duktus

Wahrscheinlich ist über Hitler nie so viel gelacht worden seit dem Film Schtonk 1992; man kann das durchaus als gutes Zeichen sehen. Eine Figur, die zur lächerlichen Karikatur wird, übt schwerlich auch nur ansatzweise jene düstere Faszination aus, der einst so viele junge Menschen erlagen.

Andererseits ist es gar nicht so einfach, gerade für Jugendliche, sich jenseits der Basisfakten über den "Führer" und die Geführten, den Verführer und die so bereitwillig Verführten ein Bild zu machen. Die großen Biografien von Joachim Fest und Ian Kershaw sind voluminös und setzen viel voraus, das schreckt nicht nur "digital natives"  ab.

Sandkühlers Hitlerbuch möchte die Lücke schließen, entstanden ist ein überschaubares, klar und verständlich geschriebenes Werk. Souverän lässt der Autor die Forschungserkenntnisse einfließen, ohne je in jenen gruseligen Duktus zu verfallen, der in Deutschland viel zu oft als Ausweis von Wissenschaftlichkeit gilt.

Gelungen erscheint auch der Spannungsbogen - von der beklemmenden Kindheit Hitlers bis zu dem Ende im Berliner Bunker 1945. Das erste der sieben Kapitel heißt "Der Versager" und schildert eindringlich, wie menschliches Unvermögen sich in ideologischer Besessenheit entlädt, eine zunächst typische Biografie in Deutschland und Österreich nach 1900: "Fast zwangsläufig geriet der gescheiterte Kleinbürgersohn in den Dunstkreis rechtsradikaler Ideologien", schreibt Sandkühler, der an der Berliner Humboldt-Universität lehrt.

Eindrucksvoll ist auch das Kapitel "Der Massenmörder", das die Verbrechen Hitlerdeutschlands schildert und eben nicht nur Hitlers und seiner Paladine: "Die meisten Deutschen hätten viel über das Schicksal der Juden wissen können, waren überwiegend aber nicht daran interessiert, mehr zu erfahren."

Betrachtungen über Hitler, "den Untoten"

Zu den weniger bekannten Untaten des NS-Regimes gehört der Massenmord an den sowjetischen Kriegsgefangenen, auf den Sandkühler verdienstvollerweise eingeht. Das Buch endet mit Betrachtungen über Hitler, "den Untoten", einen Zombie der Zeitgeschichte: "Hitler wird auch in Zukunft durch die Köpfe der Nachgeborenen geistern."

So ist eine sehr lobenswerte Darstellung entstanden, an der man höchstens bemängeln könnte, dass gerade für junge Leser mehr anschauliche Szenen und Zitate hätten einfließen können und ein paar Seiten und Fakten weniger das Ganze noch dichter gemacht hätten.

Manchmal geht eben der Historiker mit dem Autor durch, wenn er etwa ausführlich auf die kontroversen Versionen über die Genesis des Holocaust eingeht - hier zählt Sandkühler freilich seit seinem Buch Endlösung in Galizien (1996) zu den führenden Experten.

Adolf H. nun wird leicht so anspruchsvoll, dass die Lektüre doch eher erst ab der Oberstufe sinnvoll ist. Aber für die Abiturvorbereitung in Geschichte und für junge Erwachsene bleibt das Buch ein echter Gewinn.

Thomas Sandkühler: Adolf H. - Lebensweg eines Diktators. Hanser 2015. 350 Seiten, 19,90 Euro.

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