Bio-Lebensmittel:Ein Ablasshandel

Die Deutschen sind ziemlich naiv, wenn es um Lebensmittel geht. Permenant verwechseln sie "Bio" und "Öko". Also essen sie besten Gewissens eine biologisch erzeugte und sodann mit dem Flugzeug herbeigeschaffte Mango.

Von Jan Heidtmann

Einst waren die Ökos angetreten, die Welt zu verändern. Der Mensch sollte zu einem besseren Leben erzogen werden, Müsli und Jutetaschen waren die Waffen der Wahl. Nun scheint dieser Kampf verloren zu sein, die Biobranche übt sich in der Kunst der Anpassung: Ravioli in Dosen, Lutscher und Joghurt mit Schokolinsen im Plastikdeckel gehören zu den neuesten Produkten, die in Nürnberg auf einer der größten Biomessen der Welt, der Biofach, vorgestellt werden. 2300 Firmen präsentieren sich auf dieser Leistungsschau. Der urwüchsige Öko, der bodenständige Landwirt, sie sind hier eher Folklore. Geprägt wird das Bild von Frauen in Hosenanzügen und Männern mit Krawatten. Bio, das wird wieder einmal sehr deutlich, ist ein globales Milliardengeschäft. Einerseits.

Andererseits ist es immer noch ein Heilsversprechen. In einer Zeit, in der sich ein bewusster Mensch ständig gezwungen sieht, seinen Lebensstil daraufhin abzuklopfen, ob er verträglich ist, verspricht Bio Linderung. Eine Art Ablasshandel. Für einen kleinen Aufpreis kann sich der Mensch die Vorstellung erkaufen, für Umweltschutz, Tierwohl und sich selbst gleichermaßen zu sorgen.

Das wissen auch die Unternehmen. Im Extremfall machen sie es dann wie McDonald's und präsentieren mit großem Aplomb ihren Einstieg ins Biozeitalter. Nun stellte sich heraus, dass der Bioburger bis auf das Fleisch recht konventionell war - und die ganze Aktion nur ein Test. Aber selbst angestammte Verbände wie Bioland agieren nicht immer sauber. Dass auch in ihren Betrieben in Ausnahmefällen bei Tieren Antibiotika eingesetzt werden, ist kein Skandal. Problematisch ist nur, dass sie eine reine Lehre vertreten, die sie nicht einhalten können.

Doch geht es um Bio, gelten gerade die Deutschen als besonders leichtgläubig - steht Bio drauf, muss es ja wohl auch gut sein. Die Widersprüche der Branche werden gern übersehen: Da inzwischen mehr als zehn Prozent der Bioprodukte in Deutschland importiert werden müssen, sind die Lieferketten teils absurd lang. So mag eine Bio-Flugmango zwar gut schmecken, ökologisch ist sie ein Desaster. Gleichzeitig macht die Globalisierung die Produktionsprozesse undurchschaubar. Skandale wie die um vermeintlich biologische Futtermittel aus der Ukraine oder Rumänien zeigen dies. Und dass ein Bauer in Bolivien tatsächlich unter schlechteren Bedingungen als ein deutscher Landwirt arbeitet, auch das mag manch einer nicht wahrhaben wollen.

Die Leute hören bloß "Bio" - und schon schauen sie nicht mehr so genau hin

Da sich Globalisierung und Bio nur bedingt gut vertragen, fördern Branchenverbände zunehmend den ökologischen Anbau in Deutschland. Die Voraussetzungen scheinen gut zu sein: Es wird mehr als doppelt so viel Bio nachgefragt, wie hierzulande angebaut wird. Bislang sind es acht Prozent der Anbaufläche, die ökologisch bewirtschaftet werden. Etwa jeder achte Landwirt interessiert sich dafür, seinen konventionellen Betrieb umzustellen. Allein, es fehlt das Vertrauen: Einen Hof auf biologische Produktion zu trimmen, ist eine Investition ins Ungewisse. Lobbyorganisationen wie der Bauernverband, aber auch die Politik, müssen die Landwirte deshalb mit Beratung und Geld weit mehr unterstützen als bisher. Aber auch jeder Einzelne kann etwas tun: Indem er sich die Mühe macht, selbst bei Bio ziemlich genau hinzuschauen.

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