Bill de Blasio neuer Bürgermeister von New York:Triumph des linken Populisten

Das Ergebnis der Bürgermeisterwahl in New York hat Bedeutung weit über die Stadtgrenzen hinaus: Der Erfolg von de Blasio zeigt, dass in Amerika nicht nur rechte, sondern auch linke Populisten Wahlen gewinnen können. Überraschend ist die Radikalität, mit der die New Yorker die Ära Michael Bloomberg beenden.

Von Nikolaus Piper, New York

Es war nicht nur ein Sieg, es war ein Triumph. Die Bürgermeisterwahl in New York hat der linke Demokrat Bill de Blasio mit überwältigender Mehrheit gewonnen. Der 52-Jährige wird am 1. Januar in das Rathaus der Millionen-Metropole einziehen. Die Ära des Milliardärs Michael Bloomberg an der Spitze der Stadt geht damit nach zwölf Jahren abrupt zu Ende. Wichtigste Botschaft de Blasios war: mehr soziale Gerechtigkeit. Sein republikanischer Gegner Joseph Lhota gestand die Niederlage bereits ein.

Die erste Reaktion aus de Blasios Demokratischer Partei war ein Freudenschrei. "Happy Days Are Here Again" ("Die guten Zeiten kommen wieder") sagte Ruben Diaz, Bezirksbürgermeister der Bronx dem Lokalsender NY 1 wenige Minuten nach 21 Uhr (Ortzeit). Die Wahllokale hatten in New York gerade geschlossen und die lokalen Medien den Kandidaten de Blasio bereits zum Sieger ausgerufen. Es war klar: Zum ersten Mal seit 20 Jahren wird wieder ein Demokrat über New York herrschen. Erste Hochrechnungen zeigten das für viele noch unfassbare Ausmaß des Sieges.

De Blasio konnte demnach nicht weniger als 73 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, Lhota bekam 24 Prozent. Bleibt es dabei, dann hat der linke Demokrat einen der größten Wahltriumphe in der Geschichte New Yorks eingefahren. Dabei konnte de Blasio sowohl die Armen in der Bronx, als auch die Reichen in Manhattan für sich gewinnen; 96 Prozent der Schwarzen entschieden sich für ihn, 82 Prozent der Latinos und 55 Prozent der Weißen. In seinem Heimatbezirk Brooklyn holte er 87 Prozent.

New York City Mayoral Candidate Bill De Blasio Holds Election Night Gathering

New Yorks Wahlsieger Bill de Blasio mit Familie: Auch Frau und Kinder spielten eine Rolle bei seinem Sieg

(Foto: AFP)

Sein wichtigstes Projekt heißt "Tax the Rich"

Der Machtwechsel in New York zeigt, dass in Amerika nicht nur rechte, sondern auch linke Populisten Wahlen gewinnen können. Insofern hat das Ergebnis Bedeutung weit über die Stadtgrenzen hinaus. De Blasios Botschaft hieß, in Anlehnung an einen Roman von Charles Dickens: Die Stadt sei "a tale of two cities". New York bestehe in Wirklichkeit aus zwei Städten - einer privilegierten, die von der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Renaissance des Gemeinwesens profitiert, und einer vernachlässigten, in der das Leben schlecht ist und noch schlechter geworden ist.

"Fast 400.000 Millionäre nennen New York ihr Zuhause", sagte de Blasio im Wahlkampf, "während fast die Hälfte unsere Nachbarn an oder nahe der Armutsgrenze leben. Unsere Mittelklasse schrumpft nicht nur, sie läuft Gefahr, ganz zu verschwinden." Dies festzustellen, sei "nicht Klassenkampf. Das ist Mathematik."

Das wichtigste Projekt des künftigen Bürgermeisters heißt "Tax the Rich": New Yorker, die mehr als eine halbe Million Dollar verdienen, sollen mehr Einkommensteuer zahlen, um die Vorschulerziehung auszubauen. Ein weiteres Thema war die umstrittene Polizeitaktik des "Stop and Frisk", bei der Passanten ohne konkreten Anlass gestoppt und durchsucht werden. Gestoppt werden in der Praxis fast immer junge Männer mit dunkler Hautfarbe, weshalb de Blasio die Methode als rassistisch kritisiert.

Wahlsieg auch dank de Blasios bunter Familie

Überraschend ist die Radikalität, mit der die New Yorker jetzt die Ära Michael Bloomberg beenden. Die Motivation vieler Wähler ist, glaubt man den Umfragen, widersprüchlich. Sie finden einerseits, dass Bloomberg einen guten Job gemacht hat. Schließlich ist die einst vom Verbrechen heimgesuchte Acht-Millionen-Metropole heute einer der sichersten Großstädte Amerikas, sie wächst, schafft neue Arbeitsplätze, ist grüner und toleranter geworden.

Trotzdem wollten sie einen Neuanfang im Rathaus. Bill de Blasio dürfte dabei zugutegekommen sein, dass die Republikaner wegen des Haushaltsstreits in Washington in der öffentlichen Meinung New Yorks derzeit regelrecht verhasst sind. Entscheidend war jedoch die Persönlichkeit des Kandidaten. Auch andere haben schon versucht, auf das Thema Soziale Gerechtigkeit zu setzen, bei de Blasio hat es funktioniert, weil er Kontakt zu den Menschen findet. Seine Persönlichkeit kommt an.

De Blasio hat Politik bei David Dinkins gelernt, dem glücklosen ersten schwarzen Bürgermeister New Yorks, er war unter anderem Wahlkampfmanager für Hillary Clinton, als diese 2000 erfolgreich als Senatorin für den Bundesstaat New York kandidierte. Zuletzt war er gewählter Ombudsmann der Stadt New York. In der Funktion ließ er sich kürzlich bei einer Demonstration gegen die Schließung eines Krankenhauses in Brooklyn publikumswirksam festnehmen.

Eine wichtige Rolle beim Wahlsieg spielte auch die bunte Familie des künftigen Bürgermeisters. De Blasio, selbst italienisch-amerikanischer Herkunft, ist verheiratet mit der schwarzen Journalistin und PR-Beraterin Chirlane McCray, die sich in jungen Jahren einmal in einer Zeitschrift als Lesbe bekannte. Trotzdem heiratete sie den sechs Jahre jüngeren Bill de Blasio, als beide für Dinkins arbeiteten. Das Paar hat zwei Kinder - Sohn Dante, ein Teenager mit riesigem Afro-Schopf und Tochter Chiara. Beide spielten im Wahlkampf eine zentrale Rolle. Die Familie lebt in Park Slope, einem bunten Stadtviertel in Brooklyn.

In seiner Siegesrede am Dienstagabend beschwor de Blasio den Mythos von New York als der Stadt, in der jeder, der hart arbeitet, seine Chance bekommt. Die Rede hielt er teilweise in Spanisch - eine Reverenz an seine vielen Wähler, die Nachkommen von Einwanderern aus Lateinamerika sind.

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