Bill Clinton und Monica Lewinsky:Die Wölfe ruhen

Zehn Jahre nach der Beinahe-Amtsenthebung Clintons haben sich die Sittenwächter diskreditiert.

Stefan Kornelius

Kein Kandidat für das amerikanische Präsidentenamt, der nicht in den Wahlkampf zöge mit dem heiligen Versprechen, das Land zu versöhnen. Kein Präsident, der nicht als Vater der Nation auftreten will und zum Zeichen des guten Willens Politiker aus dem feindlichen Lager in sein Kabinett aufnimmt. Auch Barack Obama ist so ein Präsident: Der Kurzzeit-Senator heilt und beschwört und schmiert Salbe.

Bill Clinton und Monica Lewinsky: "I did not have sex with that woman" - Bill Clinton sprach's und hoffte darauf, dass die Nation ihn versteht.

"I did not have sex with that woman" - Bill Clinton sprach's und hoffte darauf, dass die Nation ihn versteht.

(Foto: Foto: Reuters)

Selten war im Land der Wunsch nach Versöhnung und Sanftheit im politischen Umgang so groß. Obama verdankt seinen Wahlsieg nicht zuletzt auch der Tatsache, dass er dieses Bedürfnis in seinen Reden und Gesten perfekt bedient. Aber beginnt mit diesem Mann wirklich das Zeitalter der Mäßigung?

Amerika schaut auf eine lange und bisweilen traumatische Geschichte der politischen Auseinandersetzung zurück. In kaum einer anderen westlichen Demokratie wird der politische Lagerkampf derart eindeutig als Aufforderung zur Niedertracht verstanden. Schon vor den Bürgerkriegszeiten im 19. Jahrhundert kannte das Land die uneingeschränkte Brutalität im Umgang der politischen Klasse untereinander. Aber selten war die Polarisierung stärker als in den vergangenen zwei Jahrzehnten.

Die amerkanischen Werte

An diesem Freitag jährt sich die bislang größte selbsterzeugte Systemkrise der US-Politik zum zehnten Mal - das Amtsenthebungsverfahren gegen Bill Clinton. Dieses impeachment war die logische Konsequenz einer in Jahren gewachsenen tiefen Feindschaft zwischen den beiden großen Lagern. Und es war einem politischen Fundamentalismus geschuldet, der besonders den konservativen Teil des Landes erfasst hatte und dem der Kompromiss als Ergebnis politischer Arbeit fremd ist.

Politischer Fundamentalismus und Religiosität zogen Hand in Hand in die innenpolitische Arena Amerikas ein. Moral, Sitte, die sogenannten amerikanischen Werte, wurden zum Maßstab der Entscheidungen. Das Land wurde mit Hilfe weniger Schlüsselthemen in konservativ und liberal gespalten: Abtreibung, Waffenbesitz, Homosexualität, Kirche und Staat.

Dieser Fundamentalismus prosperierte, weil holzschnittartige Botschaften leichter zu transportieren sind und mehr Aufmerksamkeit sichern. Der Applaus ist schnell verdient, die Feindschaften werden billig genährt - und wen interessiert schon das Kleingedruckte, wenn die Dinge so eindeutig erscheinen? Amerika hat dieses Strickmuster für Polarisierungen aller Art zur Perfektion getrieben. Platz für Zweifler und Zauderer ist da nicht. Willkommen im Zeitalter des Kulturkampfes.

Leichtes Opfer

Bill Clinton war das perfekte Ziel für eine ordentliche Polarisierungs-Attacke. Der Emporkömmling aus dem Süden, von zweifelhaftem Lebensstil und mit einer ehrgeizigen Gattin an der Seite, verkörperte alles Übel für die konservative Partei. Ihre Angriffsserie mündete in dem Amtsenthebungs-Verfahren, das alle drei Gewalten des Staates erfasste und beinahe bis zum Kollaps belastete. Die Wahl des Nachfolgers George W. Bush sollte das Klima nicht wirklich ändern. Allein die traumatische Auseinandersetzung um das Ergebnis in Florida vertiefte die Kluft.

Die politische Härte wird von den Amerikanern ertragen, aber offenbar nicht geschätzt, sonst würde nicht jeder Präsident das Versöhnungs-Versprechen erneuern - so auch Barack Obama. Der genießt nun den Vorteil, dass sich das moralische Kreuzrittertum in den vergangenen Jahren selbst diskreditiert hat. Also kann er sich die neue Sanftheit erlauben. Aber: Die Schutzwälle werden bereits gezogen um den nächsten Präsidenten. Bill Clintons Mannschaft sitzt bald wieder im Weißen Haus und zeigt beim aktuellen Gouverneurs-Skandal von Illinois die alten Schutzreflexe. Nein, auf Amerikas Wiesen wandeln nicht plötzlich nur noch Lämmer. Die Wölfe ruhen nur.

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