Bildstrecke:Hoffnung oder Farce - die Pressestimmen

Die Medien diskutieren die Machtübergabe in Russland. Während ein Moskauer Kommentator die Wahl für demokratisch hält, wollen die Amerikaner die Russen aus der G 8 werfen. Eine Presseschau in Bildern.

10 Bilder

-

Quelle: SZ

1 / 10

Die Moscow Times stellt fest: Eine Wahl kann zugleich langweilig und demokratisch sein:

"Es stimmt, dass die Präsidentenwahl irgendwie langweilig war. Wir wussten alle für einige Zeit, dass Dmitrij Medwedjew unser nächster Präsident werden wird und wir haben deswegen kaum schlaflose Nächte gehabt. Aber macht dies das vorher festgelegte Ergebnis undemokratisch und verliert Medwedjew dadurch an Legitimität? Meiner Meinung nach ist die Antwort: Nein. Kritiker behaupten, der Volkswille wurde vom Kreml eingeschränkt und manipuliert und spiegele deswegen nicht den Willen des Volkes wieder.

Die Kritiker liegen falsch. Obwohl die Auswahl wirklich begrenzt wurde, liegt der Grund für den fehlenden Wettbewerb mehr am Mangel an glaubwürdigen Alternativen als an den Manipulationen des Kremls. Nur weil die Wahl langweilig und total vorhersehbar war, macht sie das noch nicht undemokratisch."

Foto: Reuters

-

Quelle: SZ

2 / 10

Die Washington Post überlegt, wie sich der Westen gegenüber Russland verhalten sollte:

"Während man bei Problemen wie dem iranischen Nuklearprogramm die Kooperationsbereitschaft Russlands suchen sollte, gibt es keinen Grund, wieso die Europäische Union eine strategische Partnerschaft anbieten sollte, solange Moskau die Energiezufuhr monopolisieren will, serbische Extremisten unterstützt oder die Souveränität der Nachbarstaaten bedroht. Außerdem sollte eine Autokratie nicht ebenso behandelt werden wie die wichtigsten Demokratien der Welt. Herr Bush hat schon laut darüber nachgedacht, ob nun Herr Medwedjew oder Herr Putin zum G-8-Gipfel im Juli nach Japan reisen wird. Eine bessere Frage wäre, warum überhaupt einer von ihnen eingeladen werden sollte."

Foto: Reuters

-

Quelle: SZ

3 / 10

Der Tages-Anzeiger aus Zürich merkt an, die Präsidentschaftswahl habe eher einer Inthronisierung geglichen. "Putin und sein Team sind nicht einmal in der Lage, sich einem politischen Wettbewerb zu stellen." Die Schweizer sagen Probleme für das institutionelle Gefüge voraus, denn "jetzt schon, sagen Insider, wissen die Bürokraten im Kreml nicht, wer in Zukunft ihr eigentlicher Chef sein wird - Präsident Medwedjew oder Premierminister Putin. Manche befürchten, schlimmste Machtkämpfe könnten auf das Land zurollen. Die Bilanz nach acht Jahren Putin wäre dann niederschmetternd: Russland hätte seine Freiheit verloren - und dafür nicht einmal Stabilität gewonnen."

Foto: AP

-

Quelle: SZ

4 / 10

Die Berliner Zeitung vergleicht den Putin-Nachfolger mit einem frisch gewählten Papst:

"Zu sagen, die Wahl am Sonntag sei lediglich eine Akklamation gewesen, heißt weder, sie sei überflüssig gewesen, noch heißt es, den Wählern ihre Meinung abzusprechen. So wie ein frisch gekorener Papst die klatschende Menge auf dem Petersplatz braucht, so braucht ein von Putin nominierter Präsident die Stimmen der Wähler. Und es besteht angesichts von Putins Popularität auch gar kein Zweifel, dass viele Wähler Medwedjew aufrichtig ihre Stimme geben. Putin gilt als Inbegriff von Stabilität, er genießt ein Vertrauen, das erstaunlicherweise mit dem generellen Misstrauen gegenüber 'denen da oben' zusammengeht. Wenn er einen Mann als Nachfolger benennt, dann hat das unmittelbare Wirkung."

Foto: AFP

-

Quelle: SZ

5 / 10

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung kommentiert:

"Das ist das Schöne an Putins autoritärem System gelenkter Demokratie: Nichts wird dem politischen Wettbewerb überlassen; alles geschieht so, wie es die Mächtigen wollen. Putin wird Regierungschef; unter oder neben ihm wird Medwedjew neuer Herr im Kreml, und wir werden gespannt sein zu erleben, wie sich diese russische Kohabitation im Alltagsgeschäft auswirken und welche Form, auch in der Außendarstellung, sie annehmen wird. Dass der selbstbewusste Putin, der an der Rückkehr Russlands zu altem Weltmachtstatus arbeitet, sich künftig mit der Rolle des Souschefs bescheiden wird, kann man sich nicht recht vorstellen. Ob Medwedjew der liberale Reformer sein wird, als der er sich ausgegeben hat, lässt sich nicht voraussagen; zu wünschen wäre es."

Foto: AP

-

Quelle: SZ

6 / 10

Die Mailänder Tageszeitung Corriere della Sera schwankt zwischen Hoffnung und Farce:

"Ist Dmitrij Medwedjew, der Mann mit dem gemäßigten Auftreten und dem guten Leumund im Westen, vielleicht doch die richtige Wahl, um die nationalistische Zügellosigkeit des Chefs Putin auszugleichen? Der Wachwechsel im Kreml ist nicht nur eine Farce, sondern auch eine Hoffnung. Europa und Amerika täten gut daran, sich die Pläne Putins und Medwedjews anzusehen und ohne zu große Illusionen zu überprüfen, bis zu welchem Punkt es für Moskau eine Notwendigkeit war, dieses neue Kapitel aufzuschlagen.

Und sie müssten dabei dem eigentlichen Zaren sowie dem, der es dem äußeren Schein nach ist, eines deutlich machen, dass nämlich ein Russland ohne politischen Pluralismus und Informationsfreiheit niemals den Argwohn des Westens wird überwinden können."

Foto: AP

-

Quelle: SZ

7 / 10

Die Frankfurter Rundschau weist auf die Unterschiede der Inszenierung von Medwedjew im Jahr 2008 und Wladimir Putin im Jahr 2000 hin:

"Während Putin vor acht Jahren im zweiten Tschetschenienkrieg als harter Kriegspremier in den Kreml einzog, haftet Medwedjew bisher das Image des Softies an. Eines Softies, der zudem in den Augen der Russen am Gängelband Putins hängt, aber keine eigenständige politische Persönlichkeit ist. Will er dieses Bild ändern, muss sich Medwedjew über kurz oder lang von Putin emanzipieren.

Es ist auch genug sozialer Sprengstoff vorhanden, der das vom Kreml gepflegte Bild eines aufstrebenden Russlands schneller zerspringen lassen kann, als die Bilder von einem strahlenden Sieger Medwedjew vermuten lassen. Die scheinbar so solide Stabilität im heutigen Russland ist brüchig."

Foto: AFP

-

Quelle: SZ

8 / 10

Kritisch blickt das Luxemburger Wort gen Osten und hat vor allem die wirtschaftliche Entwicklung im Blick:

"Dass sich der größte Flächenstaat der Welt langfristig dem autokratischen Dirigismus statt der parlamentarischen Demokratie verschrieben hat, ist keine neue Erkenntnis. Für Putin gab es trotzdem gewichtige Gründe, jetzt - vorerst - den Kreml gegen das Weiße Haus zu tauschen. Die Entwicklung des Ölpreises lässt keinen großen Spielraum nach oben. Rutschen die USA in eine Rezession, wird der Ölpreis, so schätzen Branchenkenner, um 20 Dollar pro Barrel nachgeben. Für Russlands Machtzentrale bedeutet diese sich anbahnende Entwicklung, dass die Exporteinnahmen bei galoppierenden Importrechnungen spürbar schrumpfen werden. Moskaus Eliten wissen: Russlands Wertschaffung beruht weitestgehend auf Erlösen aus Erdgas- und Rohölexporten in die EU und nach China. Sollte es dem neuen Machthaber im Kreml schwerfallen, in die Fußstapfen seines Mentors zu treten, wäre die Rückkehr Putins an den Roten Platz programmiert."

Foto: Getty Images (es zeigt den Zwischenstand von Sonntagabend)

-

Quelle: SZ

9 / 10

Die linksliberale Tageszeitung Information aus Kopenhagen hält Medwedjew für sympathischer als Putin - und glaubt an dessen Machtwillen.

"Der neue russische Präsident Dmitrij Medwedjew wird in der kommenden Zeit wohl erst einmal in der Hand des alten Präsidenten Wladimir Putin und dessen Regierungs-Clans bleiben. Zu dem gehören Leute aus den Sicherheitsdiensten auf der einen und liberale Juristen sowie Wirtschaftsleute aus St. Petersburg auf der anderen Seite.

Aber trotz seiner weichen Augen und seines freundlichen Stils kann es keinen Zweifel geben, dass Medwedjew in nicht allzu langer Zeit das Recht auf Entscheidungen unabhängig von Putin einfordern wird. Als Putin an die Macht kam, wurde auch er als Marionette an der Hand seiner Vorgängers Boris Jelzin betrachtet. Das hielt nicht lange an. Medwedjew wird vermutlich recht zügig die sozialen Probleme anderen überlassen und selbst die Rolle als Gesicht des Landes nach außen übernehmen. Er trägt deutlich sympathischere Züge als Putins graues und versteinertes KGB-Antlitz."

Foto: AP

-

Quelle: SZ

10 / 10

Die Neue Presse aus Hannover wählt einen naheliegenden Vergleich (der Mann auf dem Foto ist weder Waldimir Putin noch Peter der Große):

"Mit Demokratie hat das wenig zu tun. Wie ein Zar hat Putin seinen Nachfolger bestimmt. Die Frage ist jetzt, ob Medwedjew sich von Putin lösen will und kann. Und wohin Russland steuern wird. Viel Hoffnung auf mehr Demokratie gibt es nicht: Als Vizeregierungschef hat Medwedjew den bisherigen Kremlkurs stets unterstützt. Wenn alles läuft, wie Putin es wohl plant, kann er in fünf Jahren wieder Präsident werden - das wäre dann die Rochade rückwärts."

Foto: Reuters

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: