Bezirke:Neue Mehrheiten

Franziska Giffey

Bleibt Bezirksbürgermeisterin von Neukölln: Franziska Giffey (SPD).

(Foto: Bernd Von Jutrczenka/dpa)

Die SPD kann sich in Neukölln halten. Doch auf Bezirksebene bekommt die AfD erstmals exekutive Verantwortung.

Von Jens Schneider, Berlin

Fünf Direktmandate hat die AfD bei den Berliner Wahlen zum Abgeordnetenhaus gewonnen, allesamt im früheren Ostteil der Stadt. Zwei gewann sie in Marzahn, die anderen in Treptow-Köpenick, Pankow und Lichtenberg. Irritation sogar in der rechtspopulistischen Partei selbst könnte dabei der Sieg des Kandidaten Kay Nerstheimer in Lichtenberg auslösen. Er ist in der eigenen Partei auch umstritten, die Berliner AfD hätte gern einen moderat rechtskonservativen Kurs vertreten. Am Montag bestätigte der Landesvorsitzende Georg Pazderski, dass Nerstheimer 2012 Mitglied der "German Defence League" war.

Diese Gruppe gilt als rechtsextremistisch und islamfeindlich. Als die Organisation 2013 ins Visier des Verfassungsschutzes geriet, habe Nerstheimer seine Aktivitäten dort aber schon beendet gehabt, sagte Pazderski. Die AfD befasse sich noch mit dem Fall, es wird offenbar in der Partei über ein Ordnungsverfahren nachgedacht. Man werde das untersuchen und eine Lösung finden, sagte Pazderski.

Mit ihrem Erfolg bei der Berliner Wahl wird die AfD erstmals in Deutschland auch exekutive Verantwortung bekommen - auf kommunaler Ebene. In einigen der zwölf Bezirke der Stadt wird sie Anspruch auf die Posten von vermutlich sieben Bezirkstadträten stellen können. Diese angestellten Stadträte sind innerhalb der Verwaltung eine Ebene unter den Bezirksbürgermeistern angesiedelt. Sie sind dabei je nach Ressort zuständig für Baugenehmigungen, die Führung der Ordnungsämter oder auch der Schulgebäude sowie der Gestaltung von Jugendtreffs und Parks - und auch für die Verteilung von Geld an politische Vereine und Initiativen im Bezirk. Parteichef Pazderski kündigte an, dass die AfD dort zeigen werde, dass sie Verantwortung übernehme könne.

"Berlin wird ein Aushängeschild für die Regierungsfähigkeit der AfD", sagt Georg Pazderski

"Berlin wird ein Aushängeschild für die Regierungs- und Leistungsfähigkeit der AfD", hatte der Berliner AfD-Vorsitzende und Spitzenkandidat Pazderski schon vor der Wahl angekündigt. Mit wem die Posten von der AfD besetzt werden sollen, ist indes noch nicht ganz klar. Viele ihrer Kandidaten haben kaum Politik- oder Verwaltungserfahrung, Namen und Gesichter kennt man kaum. Da werde die Partei, wenn nötig, auch außerhalb Berlins suchen, kündigte Pazderski an. "Denn das sind die Leute, die die Politik machen, die ihr Fach beherrschen müssen."

Bei den anderen Parteien gab es vereinzelt Überlegungen, ob sich genau das durch deren Mehrheit verhindern ließe. Hingegen sprach sich etwa die SPD-Bezirksbürgermeisterin von Neukölln, Franziska Giffey, dafür aus, die AfD inhaltlich zu stellen. Es werde jetzt darauf ankommen, auch mit den neuen Verhältnissen gute Politik zu machen, erklärte Giffey nach dem Wahltag.

Die junge Sozialdemokratin stellte sich am Sonntag zum ersten Mal dem Votum der Wähler im Bezirk Neukölln, der etwa 328 000 Einwohner hat. Seit gut einem Jahr regiert die 38-Jährige im Rathaus in Neukölln, sie übernahm im April 2015 von Horst Buschkowsky, der als Bürgermeister von Neukölln überregional bekannt geworden war, als er Defizite der Integrationspolitik offen ansprach. Buschkowsky erzielte Rekordergebnisse für die SPD im Bezirk.

Mit Giffey büßten die Sozialdemokraten nun massiv ein, sie liegt im Bezirk aber dennoch mit 30,4 Prozent deutlich vor der Konkurrenz und weit über dem Landesergebnis. Sie wird im Amt bleiben können. Die AfD erzielte in Neukölln 12,7 Prozent der Stimmen bei der Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung.

Auch die umstrittene grüne Bürgermeisterin des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann, kann im Amt bleiben. Ihre Partei erzielte bei der Wahl im Bezirk 32,7 Prozent und büßte lediglich 2,7 Prozentpunkte ein. Herrmann war wegen ihrer Flüchtlingspolitik vor allem von der CDU in Berlin heftig kritisiert worden. Im Wahlkampf hatten die Grünen im Bezirk ausdrücklich mit dem links-alternativen Image und Slogans wie "Willkommen bei den Gutmenschen" geworben.

Auch die Linke schnitt dort stark ab, die SPD kam auf 17,2. Die Piraten konnten sich in der Bezirksverordnetenversammlung halten, büßten aber dort etwa zehn Prozentpunkte ein und landeten bei 4,8. Zufrieden erklärten die Grünen, der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, "Xhain" abgekürzt, bleibe somit "weiterhin der ,links-grün-versiffte' Bezirk, weltoffen, vielfältig und solidarisch". Zwei Sitze gewann in diesem Bezirk auch die Satirepartei "Die Partei". Die CDU erreichte 7,7 Prozent, die AfD kam in Friedrichshain-Kreuzberg auf 6,2 Prozent.

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