Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erwartet vom Präsidentschaftswechsel in den USA eine Neuorientierung in den transatlantischen Beziehungen. Neben der Sicherheitspolitik müssten neue Fragen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten die Partnerschaft bestimmen, sagte er zum Auftakt seiner Gespräche bei der 63. Generaldebatte der Vereinten Nationen in New York, die am Dienstag von Generalsekretär Ban Ko Moon eröffnet wurde.
Dazu gehörten die Energiesicherung und der Klimawandel. Er gehe davon aus, dass bei der ersten Fernsehdebatte der beiden Präsidentschaftsbewerber Barack Obama und John McCain an diesem Freitag Grundlinien der künftigen US-Außenpolitik deutlich würden.
Die einwöchige UN-Versammlung steht unter dem Druck einer Vielzahl von Krisen. Auch das internationale Bankenbeben wird laut Steinmeier eine Rolle spielen, das Treffen aber nicht dominieren. Wichtigste Themen während Steinmeiers viertägigen Aufenthalts werden die Krisen im Kaukasus, in Nahost, Pakistan und Iran sowie im Kosovo sein.
Im Mittelpunkt von Steinmeiers Gesprächen am Dienstag stand der Nahe Osten. Bei Treffen mit dem syrischen Außenminister Walid al-Muallim sowie mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sollte es vor allem um die Fortsetzung des Nahost-Friedensprozesses nach dem Wechsel an der Regierungsspitze in Israel gehen. Ein Jahr nach der Nahost-Konferenz von Annapolis sei man zwar noch nicht so weit gekommen, wie man damals gehofft habe, sagte Steinmeier. Allerdings sei man weiter als die Pessimisten vorher gesagt hätten.
Steinmeier sprach sich außerdem für neue Anstrengungen im weltweiten Kampf gegen Armut und Hunger aus. Zur Erreichung der vor acht Jahren beschlossenen Millenniumziele müsse womöglich "nachgesteuert" werden, sagte er.
Die Vorsitzende der Welthungerhilfe, Ingeborg Schäuble, erklärte unterdessen: "Wenn die globale Hungerkrise so ernst genommen würde wie die Krise der Finanzmärkte, hätten wir längst eine Lösung." Nach den Millenniumzielen sollte die Zahl der Hungernden bis 2015 um die Hälfte auf 400 Millionen reduziert werden.
Vor wenigen Tagen hatte die UN-Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation (FAO) die Zahl der Hungernden weltweit von 854 Millionen auf 923 Millionen nach oben korrigiert.
Schäuble erklärte in Bonn, die Hungerkrise sei viel schlimmer als die Finanzmarktkrise, da millionenfach Menschenleben bedroht seien. "Immer mehr Menschen können sich nur noch eine Mahlzeit täglich leisten", sagte die Frau des Bundesinnenministers.
Schäuble forderte, sofort und massiv in ländliche Infrastruktur wie Straßen, Brunnen und Bewässerungsanlagen zu investieren, die Förderung und Beratung von Bauernorganisationen zu fördern und ihnen den Zugang zu Land, Dünger, Saatgut und Krediten zu ermöglichen. Dafür seien mindestens 20 bis 30 Prozent der weltweiten Entwicklungshilfe nötig.
Akut könnten beispielsweise bisher nicht benötigte Mittel für EU-Agrarsubventionen in Höhe von einer Milliarde Euro den ärmsten Ländern zugutekommen. "Bisher sperren sich jedoch einige EU-Länder, darunter die Bundesregierung, gegen eine Freigabe."
US-Präsident George W. Bush zeigte sich in seiner Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen zuversichtlich über eine rasche Eindämmung der Finanzkrise. Es sei ihm bewusst, dass die Welt beobachte, wie die USA auf die Krise reagierten. Seine Regierung bemühe sich um eine rasche Einigung mit dem Kongress auf ein Finanzpaket im Volumen von 700 Milliarden Dollar zur Stabilisierung der Finanzmärkte, sagte Bush. Er sei zuversichtlich, dass die USA "im nötigen engen Zeitrahmen" handelten, um gravierendere Probleme zu verhindern. Ein Eingreifen anderer Staaten forderte Bush nicht.