Bewerbung gescheitert:EU lehnt Tony Blair als Präsidenten ab

Europas Sozialdemokraten lehnen den britischen Ex-Premier an der EU-Spitze ab. Die Präsidentschaft soll nun an die Konservativen gehen.

Martin Winter, Brüssel

Die Chancen des ehemaligen britischen Premiers Tony Blair auf den Posten des Präsidenten des Europäischen Rates tendieren gegen null. Beim Treffen der sozialdemokratischen Regierungschefs vor dem Beginn des EU-Gipfels fand der britische Regierungschef Gordon Brown kein Gehör für sein Plädoyer zugunsten seines Vorgängers.

Tony Blair Labour Reuters

Wird sehr wahrscheinlich nicht erster EU-Präsident: Britanniens Ex-Premier Tony Blair

(Foto: Foto: Reuters)

Die sechs anderen sozialdemokratischen Regierungschefs forderten für ihre Partei nun sogar ein ganz anderes Spitzenamt in der EU. Sie beanspruchen den Posten des Hohen Vertreters für die Außen- und Sicherheitspolitik.

Damit ist Blair faktisch aus dem Rennen, denn diese Aufgabe will ihm niemand anvertrauen. Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann, der spanische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero und der Vorsitzende der Europäischen Sozialisten (PSE) Poul Nyrup Rasmussen wurden beauftragt, mit der christlich-konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) Gespräche zu führen.

Streit um Tony Blair wurde lautstark ausgetragen

Von der EVP geleitete Regierungen haben die Mehrheit im Europäischen Rat, und im Europäischen Parlament ist die EVP die größte Gruppe. Dennoch gibt es in ihren Reihen eine große Bereitschaft, den Sozialisten eines der drei EU-Führungsämter zu überlassen.

Der Streit um Blair ist nach Berichten von Teilnehmern der Sitzung der Sozialisten streckenweise heftig ausgetragen worden. So seien Gordon Brown und Martin Schulz (SPD), der Vorsitzende der sozialistischen Fraktion im Europäischen Parlament, lautstark aneinandergeraten. Schulz arbeitet seit Wochen daran, Blair als EU-Präsidenten zu verhindern. Um "den maximalen Einfluss" seiner Partei auf die europäische Politik "zu sichern", hat er immer den Posten des europäischen "Außenministers" verlangt. Denn der Inhaber dieses Amtes wird in Zukunft - wenn der Reformvertrag von Lissabon in Kraft ist - zugleich Vizepräsident der Kommission sein.

Welche Haltung die deutsche Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel in dieser Frage einnimmt, blieb unklar. Zum Auftakt des EU-Gipfels sagte sie, dass sie erst abwarten wolle, bis der Lissabon-Vertrag ratifiziert ist.

Nur Tschechien muss ihm noch zustimmen. Der EU-Gipfel habe am Donnerstag Prags Bedingungen zur Ratifizierung angenommen, sagte Merkel. So wurde die vorletzte Hürde für die EU-Reform beseitigt. Tschechien soll mit einer Klausel garantiert werden, dass der Vertrag nicht zu Regressforderungen von nach dem Zweiten Weltkrieg vertriebenen Sudentendeutschen führt.

Präsident Vaclav Klaus hatte dies zur Bedingung für seine Unterschrift gemacht. Zuvor muss das tschechische Verfassungsgericht in der kommenden Woche noch entscheiden, ob der Lissabon-Vertrag verfassungskonform ist. Danach könnte der Vertrag schnell in Kraft treten.

Blairs Kandidatur war vor einem Jahr vom französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy angeregt und seitdem betrieben worden. Wie aus deutschen Regierungskreisen zu hören ist, war und ist Merkel darüber nicht besonders begeistert. Aus dem Kreis der Außenminister ist zu hören, dass auch Sarkozy langsam auf Distanz zu Blair geht.

Wird Schüssel Ratspräsident?

Sollten sich die EVP und die PSE auf die von den Sozialisten gewünschte Ämterteilung einigen, würde der Posten des Ratspräsidenten an die Konservativen fallen. Elmar Brok, einflussreicher Europapolitiker der CDU, brachte den ehemaligen österreichischen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel für das Amt ins Spiel. Spekuliert wird aber auch über den luxemburgischen Premier Jean Claude Juncker und über den Premier der Niederlande, Jan Peter Balkenende.

Bei einem Treffen der EVP-Regierungschefs wurde am Donnerstag aber weder über das Amt noch über Kandidaten geredet. In den Reihen der PSE wird Massimo d'Alema für den Posten des Hohen Vertreters favorisiert, er war Premier und später Außenminister Italiens. Er würde dem spanischen Sozialisten Javier Solana folgen, der jetzt nach zehn Jahren das Amt abgibt.

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