Bewaffneter Aufstand gegen Assad:Obama prüft seine Optionen in Syrien

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US-Verteidigungsminister Panetta betont die "begrenzte Wirksamkeit militärischer Mittel" in Syrien, auch einflussreiche Generäle warnen Obama vor einer Intervention. Trotzdem reagiert der US-Präsident auf die immer lauter werdenden Forderungen, endlich in den bewaffneten Aufstand einzugreifen. In der Theorie sind mehrere, abgestufte Szenarien denkbar.

Reymer Klüver und Frederik Obermaier

Der Minister gab sich zurückhaltend. Da mochte der Senator noch so scharf dazwischenfahren. "Es gibt keine einfachen Antworten", sagte Leon Panetta auf mehrmaliges, merklich irritiertes Nachfragen von John McCain, dem Vormann der Republikaner im Verteidigungsausschuss des US-Senats. "Im Endeffekt bleibt eine Menge Ärger und Frustration, die wir alle teilen."

Barack Obama hat eine Übersicht über die militärischen Eingreifmöglichkeiten der USA angefordert. (Foto: dpa)

Aber, und das war die unausgesprochene Quintessenz der Aussage von Obamas Verteidigungsminister Leon Panetta vor dem einflussreichen Senatsgremium: Einem militärischen Eingreifen der USA, um in Syrien das Morden der Truppen von Diktator Baschar al-Assad zu beenden, fehlen die Voraussetzungen. Noch jedenfalls.

Eine Intervention hatte McCain am Montag als erster Washingtoner Politiker von Rang gefordert. Damit setzte er sich an die Spitze einer Bewegung, die seit Wochen ein Eingreifen Amerikas verlangt. Präsident Barack Obama hatte auf die Stimmen von Politikern und Intellektuellen von rechts wie links insofern reagiert, als er den sogenannten commander's estimate angefordert hatte: eine Übersicht über die militärischen Eingreifmöglichkeiten der USA.

In der Theorie sind mehrere, abgestufte Szenarien denkbar, als schwächste Form ein Waffenembargo: Das hat die EU bereits Ende Februar beschlossen. Allerdings lässt sich die Einhaltung nur schwer überwachen: Syrien hat gemeinsame Grenzen mit Irak, Libanon, Türkei und Israel, hinzu kommt ein Zugang zum Mittelmeer.

Das bisherige Embargo ist ohnehin eher symbolischer Art. Die Hauptlieferanten für Syriens Armee sitzen nicht in Europa, sondern in Russland, China, Nordkorea und Iran. Moskau dürfte an einer Konfrontation mit Syrien kein Interesse haben, die russische Marinebasis im syrischen Tartus stünde auf dem Spiel. Solange die großen Waffenlieferanten sich aber nicht an ein Embargo halten, dürfte Assads Armee der Nachschub nicht ausgehen.

Frankreich hat sich schon vor Wochen für die Einrichtung von "humanitären Korridoren" ausgesprochen. In diese "No-Kill-Zonen" - etwa an den syrischen Grenzen zum Libanon, Irak, der Türkei und Jordanien - könnten Zivilisten vor Assads Armee fliehen. Zudem könnten dort auch die Kämpfer der vor allem aus Deserteuren bestehenden Freien Syrischen Armee (FSA) ausgebildet werden.

Saudi-Arabien hat bereits vorgeschlagen, die Oppositionskräfte mit Waffen zu versorgen. Nicht allen Staaten ist wohl dabei. Die FSA ist zersplittert, es ließe sich nur schwer verhindern, dass Waffen in die falschen Hände - etwa von eingesickerten Al-Qaida-Kämpfern - geraten. Außerdem müsste eine Schutzzone verteidigt werden.

Für einen 80 Kilometer langen und 50 Kilometer breiten Korridor wären nach Einschätzung der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) 40.000 bis 50.000 Soldaten nötig, zudem eine Flugverbotszone. Die syrische Flugabwehr ließe sich allerdings nicht so leicht außer Gefecht setzen wie einst die libysche. Sie wurde seit 2009 stetig modernisiert und verfügt nach Schätzung des US-Militärs über fünfmal so viele Geschütze wie Gaddafis Truppen. Ein Großteil der Flugabwehrsysteme befindet sich zudem im dicht besiedelten Westen des Landes. Zahlreiche zivile Opfer wären zu befürchten.

"Es wäre zudem über einen ausgedehnten Zeitraum eine große Anzahl von Flugzeugen nötig", sagte US-Stabschef Martin Dempsey vor dem Verteidigungsausschuss des Senats. Theoretisch wäre ein solches Engagement kein Problem für die USA. Praktisch aber wohl kaum wünschenswert, zumal angesichts der ohnehin angespannten Lage in der Region.

Dass einzelne Nato-Staaten - oder gar die USA - mit arabischen Verbündeten, etwa dem Emirat Katar und Saudi-Arabien, in Syrien einmarschieren, ist das unwahrscheinlichste der Szenarien. Innerhalb der Arabischen Liga plädiert das Emirat Katar für eine Intervention. Irak, Sudan, Tunesien und Algerien verweigern jedoch bislang die Zustimmung, auch die Türkei ist dagegen. Zudem könnte Assad als letztes Mittel chemische und biologische Waffen einsetzen. Würde ihm auch noch das iranische Regime zur Seite springen, wäre ein länderübergreifender Krieg unvermeidlich.

Der CIA mangelt es an verlässlichen Informanten in Syrien

Ein nicht ganz so unwahrscheinliches Szenario wäre der Einsatz geheimer Spezialeinheiten. Britische und amerikanische Special Forces sollen die libyschen Rebellen beim Sturz Gaddafis unterstützt haben, jetzt könnten sie den Kämpfern der FSA helfen. In Washington halten sich die Gerüchte, dass Elitesoldaten aus Europa und arabischen Staaten bereits in Syrien im Einsatz sind. Offiziell dementiert wird, dass US-Drohnen über Syrien fliegen, wie einige Medien spekuliert hatten. Dafür sei die syrische Luftabwehr viel zu gefährlich.

Nach der Anhörung vom Mittwoch indes ist klar, dass dem Pentagon überhaupt nicht wohl wäre bei einem Eingreifen zum jetzigen Zeitpunkt. Politisch gäbe es in Syrien keinen Partner. Zudem ist die Lage den US-Generälen offenkundig viel zu unübersichtlich. Es gebe nicht genug "human intelligence" aus Syrien, was heißt: Es mangelt der CIA an verlässlichen Spionen und Informanten im Land.

So ist den US-Geheimdienstlern offenbar nicht klar, ob die Terrorgruppe al-Qaida wirklich hinter einer Serie von Bombenanschlägen in Syrien in den vergangenen Wochen stand. "Es ist ziemlich gemischt", was aus Syrien in Erfahrung zu bringen sei, bestätigt der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, Mike Rogers, ein Republikaner.

Verteidigungsminister Panetta betonte im Senat, was der Hauptgrund für die Zurückhaltung sein dürfte: Man müsse die "begrenzte Wirksamkeit militärischer Mittel" zum jetzigen Zeitpunkt in Syrien anerkennen - insbesondere amerikanischer Truppen: "Wenn wir jetzt einseitig handeln, wäre es ein Fehler."

© SZ vom 09.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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