Besuch in Teheran:Steinmeier redet iranischer Führung ins Gewissen

Javad Zarif, Frank-Walter Steinmeier

Bundesaußeminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bei der Pressekonferenz mit seinem iranischen Amtskollegen Außenminister Dschawad Sarif in Teheran.

(Foto: AP)
  • In Teheran ruft Frank-Walter Steinmeier (SPD) Iran auf, endlich eine konstruktive Rolle zur Lösung der Syrien-Krise zu übernehmen.
  • Irans Außenminister Dschawad Sarif gibt die Schuld an dem Konflikt allein den arabischen Staaten. Gleichzeitig zeigt er sich gesprächsbereit, wenn sich alle dem gemeinsamen Feind IS zuwenden.
  • Außerdem plädiert Sarif dafür, dass der deutsche Außenminister in diesem Konflikt die Rolle eines Vermittlers übernimmt.

Von Stefan Braun, Teheran

Das Sterben in Syrien, die Flüchtlingsströme Richtung Europa, die gefährlichen Konflikte im Nahen Osten - sie beherrschen auch Frank-Walter Steinmeiers Reise in den Iran an diesem Wochenende. Zu bedrohlich sind die Probleme; zu drängend ist das Bedürfnis, dem Krieg nicht länger hilflos zuzusehen.

Und zu wichtig ist Teheran als Verbündeter des Regimes, um einen Weg raus aus der Katastrophe zu finden. Steinmeier nutzt seine erste Visite in Teheran denn auch für einen dringenden Appell, die neue Lage nach dem Atom-Abkommen auch für eine konstruktive Rolle auf anderen Feldern zu nutzen. ,,Iran hat eine Verantwortung für die Situation in seiner Nachbarschaft'', mahnt der deutsche Außenminister immer wieder.

Ohne Iran werde es am Ende keine Lösung der syrischen Krise geben können. ,,Wir sehen das Abkommen als Einstieg'', sagt er bei einem Auftritt mit Irans Außenminister Dschawad Sarif. ,,Die Region braucht mehr Diplomatie, nicht weniger''.

Mahnung, Bitte, Appell

Gemeint sind damit nicht nur, aber zuallererst seine Gastgeber. Steinmeier will ihnen ins Gewissen reden. Es gebe mindestens drei gemeinsame Überzeugungen, die Deutsche wie Iraner leiten müssten: Dass das Morden in Syrien endlich aufhöre, dass das Land als Ganzes erhalten bleibe und dass diese Ziele nur erreicht werden könnten, wenn ,,die Lösung nicht länger allein auf dem Schlachtfeld gesucht'' werde. ,,Wir sind es den Menschen in Syrien schuldig, dass wir erste Schritte hin zu einer politischen Lösung suchen.''

Mahnung, Bitte, Appell - von allem schwingt etwas mit bei Steinmeiers Sätzen. Dazu kommt eine ziemlich klare Erwartung an die iranische Führung. Teheran solle seinen Einfluss auf Assad und seine Unterstützer nutzen, um endlich das Blutvergießen zu beenden. Also die unsäglichen Fassbomben-Attacken zu stoppen und den Zugang für humanitäre Helfer möglich zu machen. ,,Das sind die ersten Schritte, wo ich mir Irans Hilfe erhoffe.'' Erste Schritte, kleine Hoffnungsschimmer, wenigstens das will Berlin endlich möglich machen.

Bei seinen Gastgebern stößt Steinmeier keineswegs auf taube Ohren - auch wenn sie zunächst auf andere Weise Klartext sprechen. Außenminister Sarif nutzt seinen Auftritt mit Steinmeier ebenso wie später eine Diskussion, organisiert vom Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, um den arabischen Staaten und dem Westen die Leviten zu lesen. Zuallererst trifft es Saudi-Arabien, von jeher einer der größten und aggressivsten Widersacher.

Die vermeintliche schiitische Aggressivität, wie sie Saudi-Arabien immer wieder unterstelle, gebe es gar nicht, sei eine Mär, betont Sarif. Der Iran habe nie versucht, Saudi-Arabien anzugreifen, zu vertreiben, zu zerstören. ,,Aber die Islamische Republik wird es niemals zulassen, selbst zu verschwinden'', warnt der iranische Außenminister. Seine Botschaft: Bevor über Details geredet wird, will ich übers Grundsätzliche sprechen.

Das gilt bei Sarif auch für den Westen und seinen Kampf gegen den IS. Tatsächlich, so Sarif, seien die Luftangriffe der letzten anderthalb Jahre allenfalls halbherzig gewesen. Zu sehr habe sich der Westen in dem Dilemma gefangen, mit Attacken gegen den IS den syrischen Machthaber Assad zu stützen. Aus diesem Dilemma müsse sich die US-geführte Koalition endlich befreien. Nur dann könne man den Kampf gegen die wahre Bedrohung, nämlich den IS, tatsächlich gemeinsam führen und gewinnen.

Irans Aufforderung an den deutschen Besucher

Hier schwingt mit, dass die Iraner seit langem Assad stützen und davon bis auf weiteres nicht abrücken wollen. Auch jetzt erklärt Sarif, mit irgendwelchen Vorbedingungen, die vorneweg über die Zukunft ,,mancher Personen'' entscheiden sollten, werde es keine Lösung geben.

Doch so entschieden das klingt, so sehr verzichtet er auf eine klare Botschaft, was am Ende tatsächlich aus Assad werden sollte. Wer will, kann das als Unterstützung für den Diktator lesen. Wer das Gegenteil möchte, kann auch nicht widerlegt werden.

Die offene Frage unterstreicht, dass Teheran nicht als Verweigerer jeder Lösung enden möchte. ,,Iran ist bereit, mit allen zu sprechen. Iran ist bemüht, konstruktiv zu helfen'', betont Sarif. ,,Dieser humanitäre Albtraum muss enden.'' Dafür freilich sei es nötig, dass niemand mehr die Terroristen von IS und al-Nusra unterstütze.

Niemand dürfe mehr darauf setzen, daraus auch nur einen kurzfristigen Nutzen zu ziehen. Alle müssten kapieren, dass die Sicherheit eines Staates nicht auf Kosten eines anderen Landes funktionieren könne. ,,Erst wenn das alle anerkennen, wenn alle begreifen, dass der IS der gemeinsame Feind ist, können wir die Probleme lösen.''

Teheran will nicht als Blockierer gelten

Mit Sätzen wie diesen ist noch kein einziges iranisches Zugeständnis verbunden. Die Tonlage Sarifs aber zeigt, dass Teheran die Rolle des Blockierers auf gar keinen Fall einnehmen möchte. Das klingt nicht nach Durchbruch, wohl aber nach einem kleinen Signal, auf dem sich vielleicht etwas aufbauen ließe.

Ob das auch für eine andere iranische Geste gilt, bleibt am Ende offen. Sarif nämlich hat Steinmeier in der Pressekonferenz nicht nur als Politiker mit großem Einfluss bezeichnet. Intern hat er ihn direkt aufgefordert, die Rolle eines Vermittlers zu übernehmen. Bislang weist Berlin das weit von sich.

Zu gering seien die Möglichkeiten; zu gering sei auch der tatsächliche Einfluss. Dem aber ist Sarif offenbar entgegengetreten. Deutschland sei eines der ganz wenigen Länder, das keine Verheerungen in der Region hinterlassen habe. Sagt jedenfalls der Iraner.

Ob die Saudis das ähnlich sehen, kann Steinmeier womöglich schon am Montag in Riad erfahren. Von Teheran aus wird er direkt nach Saudi-Arabien fliegen. Thema auch hier: die syrische Katastrophe.

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