Besuch in Havanna:"Wie geht's, Kuba?"

Platzregen, ein Tweet ins Leere, vom kubanischen Präsidenten Castro erst einmal keine Spur: Der historische Besuch von Barack Obama in Havanna beginnt holprig.

Von Boris Herrmann, Havanna

Natürlich ist er am Montag da, zum historischen Handschlag im Revolutionspalast in Havanna, Kubas Staatspräsident Raúl Castro. Mit Barack Obama schreitet er die Ehrengarde mit ihren aufgepflanzten Bajonetten ab, der US-Präsident sagt noch, er und seine Familie hätten am Vorabend "eine tolle Tour" gehabt durch Havanna. Dann ziehen die beiden sich zu Gesprächen an einem blumengeschmückten Tischchen zurück, sie dauern länger als geplant. Der Auftakt der historischen Friedensmission Obamas in Havanna hätte am Sonntag aber besser laufen können. Der US-Präsident begann den Besuch damit, dass er einen Schirm aufspannte. Die erste Kubareise eines US-Präsidenten nach fast 90 Jahren gilt als vorläufiger Höhepunkt der Tauwetterpolitik zwischen den lange bitter verfeindeten Nachbarstaaten. Im ersten Moment sah es eher nach Platzregenpolitik aus. Bis kurz vor der Landung der Air Force One auf dem Flughafen José Martí herrschte tagelang strahlender Sonnenschein. Unten, auf blauem Teppich, wartete dann eine kleine kubanische Delegation unter schwarzen Schirmen versteckt. Präsident Raúl Castro war auch nach gründlicher Suche nicht auffindbar. so führte Außenminister Bruno Rodríguez das Begrüßungskomitee an. Papst Franziskus hatte Castro vor einigen Monaten persönlich am Flugplatz abgeholt. Nun war es wohl vor allem ein innenpolitisches Signal: Wir freunden uns mit dem Amerikanern an, behandeln sie aber nicht wie Heilige. Obama begrüßte die Gastgeber in landestypischem Slang: "Que bola Cuba?" (Wie geht's, Kuba?). Die Frage ist, bei wie vielen Kubanern die Nachricht ankam. Obama twitterte nämlich - mehr oder weniger ins Leere. Der US-Präsident gehört offenbar zu den wenigen Privilegierten, die auf dieser Insel mobilen Internetzugang haben. Am Sonntagabend unternahm die Präsidentenfamilie einen Spaziergang durch Havannas Altstadt, der sich jedoch witterungsbedingt vor allem auf die Besichtigung der Kathedrale beschränkte. Dort begrüßte Kardinal Jaime Ortega die Obamas. Er hatte bei der Annäherung Castros und Obamas eine wichtige Rolle gespielt; durch seine Vermittlung kam es zu dem historischen Telefonat im Dezember 2014 und zur Ankündigung, die Beziehungen wieder aufzunehmen.

Wegen des starken Regens, aber auch wegen der strengen Sicherheitsvorkehrungen waren die sonst so wuseligen Altstadtgassen fast menschenleer. Nur vereinzelt erklagen Rufe "Viva Obama, viva Fidel". Zuvor hatte die Staatspolizei vorgeführt, was mit Menschen passiert, die sich aufhalten, wo sie nicht erwünscht sind - oder die sich weniger begeistert zeigen. Dutzende Dissidenten wurden nach einer Demonstration vorübergehend festgenommen. Es traf besonders die "Damen in Weiß", eine der bekannteren Dissidentengruppen.

Nach der Unterredung im Regierungspalast gaben am Montag Castro und Obama gemeinsam ihre Statements ab. Obama nannte die Diskussion über Demokratie und Menschenrechte freimütig und offen. Castro sagte, die tief greifenden Meinungsunterschiede mit den USA würden nie verschwinden. Dies gelte besonders, solange die USA in der Frage der Menschenrechte an ihrer Doppelmoral festhielten. An diesem Dienstag will Obama Dissidenten treffen. Auch ist eine Rede des US-Präsidenten im Gran Teatro de La Habana Alicia Alonso geplant. Vor seiner Abreise sagte Obama dem Sender ABC: "Es gibt keinen Zweifel, dass Kubas Regierung weiter ein Ein-Parteien-Staat ist, der Kontrolle ausübt und Dissens unterdrückt." Obama versprach auch, auf die Aufhebung des US-Embargos hinzuarbeiten. Dies werde wohl nicht mehr in seiner Amtszeit geschehen, sei aber "unvermeidbar". In Havanna kündigte er an, American Airlines nehme noch 2016 Direktflüge von den USA nach Kuba auf. Die Aufhebung des Embargos ist auch Castros wichtigstes Anliegen. Es erstickt die Insel wirtschaftlich. Seit auch Venezuela taumelt, braucht Kuba neue Verbündete, die können nur im Norden liegen, das ist dem Realpolitiker Castro klar.

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