Besuch im Nahen Osten:Westerwelle mahnt und warnt

Guido Westerwelle trifft am deutschen Vertretungsbüro in Ramallah ein.

Guido Westerwelle trifft am deutschen Vertretungsbüro in Ramallah ein.

(Foto: dpa)

Außenminister Westerwelle versucht mal wieder, im Nahost-Friedensprozess mitzumischen. Doch viel ausrichten kann er nicht. Kurz vor der nächsten Runde steuert Israels Regierung einen abenteuerlichen Zickzackkurs.

Von Peter Münch, Tel Aviv

In diesen Tagen der sanft aufkeimenden Friedenshoffnung hat sich auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle wieder einmal auf den Weg in den Nahen Osten gemacht, um Israelis und Palästinenser zum Dialog zu ermuntern. Unmittelbar vor der für Mittwoch geplanten zweiten Runde der neu aufgelegten Verhandlungen traf er in Jerusalem und Ramallah die Protagonisten des Prozesses und forderte sie zum "konstruktiven" Handeln auf.

"Ich glaube, dass die Friedensgespräche jetzt an einer entscheidenden Klippe sind", erklärte Westerwelle. Er verwies darauf, dass es auf beiden Seiten Kräfte gebe, die einen Erfolg der Verhandlungen zu verhindern suchten. Und während er noch mahnte und warnte, türmten jene Kräfte schon wieder weitere Hindernisse auf dem Weg zum Ausgleich auf.

Westerwelles Reise soll einen europäischen Akzent setzen in einer bislang von den Amerikanern allein bestimmten Show. US-Außenminister John Kerry hatte die nahöstlichen Streithähne nach drei Jahren des Stillstands mit einem diplomatischen Kraftakt im Juli in Washington erstmals wieder an den Verhandlungstisch gebracht - und die Europäer saßen nicht einmal am Katzentisch dabei. Nun wollen auch sie wieder Initiative zeigen, und der deutsche Außenminister, der schon zum zehnten Mal in seiner vierjährigen Amtszeit in Jerusalem Station macht, scheint dafür noch der geeignetste Emissär zu sein.

Immerhin gelten die Deutschen auf beiden Seiten der Konfliktlinie als verlässliche Freunde, während die Europäer insgesamt gerade einmal wieder im Clinch mit Israels Regierung liegen. Grund dafür ist eine Ankündigung der EU, dass von 2014 an die nach internationalem Recht illegalen israelischen Siedlungen im besetzten Westjordanland und in Ost-Jerusalem von europäischen Fördermitteln ausgeschlossen werden und dies auch in jeder Vereinbarung mit Israel festgeschrieben wird. Israels Regierung wirft der EU mit viel Verve, aber wenigen Argumenten vor, damit die gerade begonnenen Friedensverhandlungen zu belasten.

Auch Westerwelle bekam den Ärger direkt zu spüren. Präsident Schimon Peres und Justizministerin Tzipi Livni forderten gleich am Sonntag zum Auftakt der zweitägigen Gespräche, dass die EU sich aus dem Streit um den Siedlungsbau heraushalten und auf die Verschärfung ihrer Förderrichtlinien verzichten solle. Westerwelle rettete sich in die vage Formulierung, dass man "mit gutem Willen und einer pragmatischen Haltung Lösungen finden" könne. Der hochgeputschte Streit ist allerdings nicht mehr als ein Nebenkriegsschauplatz. Lösungen müssten vor allem in den direkten Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern gefunden werden. Doch die Gespräche stehen von Beginn an am Rande des Scheiterns.

Israel genehmigt 1200 neue Siedlerwohnungen

Vertrauen ist auf beiden Seiten nicht zu finden, und Israels Regierung steuert mit einem abenteuerlichen Zickzackkurs auf das für Mittwoch angesetzte Treffen in Jerusalem zu. Zum einen sollen trotz heftiger Proteste in Israel noch vor diesem Termin die ersten 26 von insgesamt 104 palästinensischen Langzeit-Häftlingen entlassen werden, deren Freiheit Präsident Mahmud Abbas zur Bedingung gemacht hatte. Neben dieser Geste des guten Willens aber trumpft die Jerusalemer Regierung fast zeitgleich mit der Genehmigung von 1200 neuen Siedlerwohnungen in Ostjerusalem und im Westjordanland auf. Die palästinensische Empörung darüber wurde auch Westerwelle vorgetragen, als er am Montag in Ramallah Präsident Abbas und den Premier Rami Hamdallah traf.

Bereits in einem wütenden Brief an Kerry hatte die Palästinenser- Führung den Israelis vorgeworfen, die Friedenssuche mit solchen Bauvorhaben zu untergraben. Vereinzelt wurde sogar gedroht, die Verhandlungsrunde am Mittwoch platzen zu lassen. Dies jedoch werden sich die Palästinenser kaum leisten können, weil ihnen dann schnell die Schuld am Scheitern zugeschoben würde.

Starke Siedlerlobby in der Regierung

Die israelische Doppelbotschaft von Gefangenen-Freilassung und neuen Siedlungsbauten ist einem heftigen internen Konflikt in der Jerusalemer Regierung geschuldet. Premierminister Benjamin Netanjahu, der Westerwelle trotz einer gerade erst überstandenen Nabelbruch-Operation am Montagnachmittag noch einen Termin gewährte, muss permanent einen Ausgleich finden zwischen der starken Siedlerlobby in seiner Koalition und den Befürwortern des Friedensprozesses.

Westerwelle weiß um diese Bruchlinien und betonte, dass all jenen, die den Verhandlungsprozess hintertreiben wollen, jetzt keine Chance gegeben werden dürfe. Den Nahen Osten verließ er dennoch mit der optimistischen Botschaft, er habe "auf beiden Seiten den aufrechten Willen gesehen, diese Friedensverhandlungen zum Erfolg zu führen". Beweisen müssen das Israelis wie Palästinenser jedoch nicht in den Gesprächen mit dem deutschen Außenminister, sondern in den Verhandlungsrunden, in denen von diesem Mittwoch an zäh um Kompromisse gerungen wird.

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