Berlusconis Verhältnis zu Libyen:Der Oberst und der Cavaliere

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Er küsste ihm die Hand, als sei er der Papst: Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi pflegt ein enges Verhältnis zum libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi. Was die beiden verbindet, sind vor allem lukrative Geschäfte.

Andrea Bachstein, Rom

Mit 30 weißen Berberpferden kam Muammar al-Gaddafi im vergangenen August nach Rom und zog dort nicht zum ersten Mal eine große Show ab. Und nicht zum ersten Mal wurde die Unterwürfigkeit der italienischen Regierung gegenüber Libyens Diktator kritisiert. Ein halbes Jahr zuvor hatte ihm Premier Silvio Berlusconi in Libyen die Hand geküsst, als sei Gaddafi der Papst. Acht Mal haben sie sich seit 2008 getroffen. Nicht zuletzt die USA beobachteten die besonderen Kontakte zwischen diesen beiden speziellen Staatsmännern skeptisch, wie aus Wikileaks-Material hervorgeht.

Schon acht Mal haben sich Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi und der libysche Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi seit 2008 getroffen. Die Geschäftsverbindungen beider Länder sind eng: Italienische Firmen bauen Autobahnen in Libyen und liefern Rüstungsgüter. Libyen ist umgekehrt an der größten italienischen Bank beteiligt und hält sogar Aktien am Fußballverein Juventus Turin. (Foto: REUTERS)

Berlusconi rühmte sich, Italiens Energieversorgung für Jahrzehnte gesichert zu haben. Jetzt hat angesichts der dramatischen Lage in Libyen der italienische Energieriese Eni vorsichtshalber am Dienstag die Pipeline Greenstream zugedreht, durch die libysches Gas nach Gela auf Sizilien fließt. Zwölf Prozent des Gases, das Italien verbraucht, stammt aus Libyens Wüste, beim Erdöl sind es sogar fast ein Viertel. Täglich 244.000 Barrel Öl förderte Eni bis jetzt in Libyen.

Der Hätschelkurs kam also nicht von ungefähr. Er hat teilweise mit Schulden und Schuld aus der Zeit zu tun, als Italien zwischen 1911 und 1943 Kolonialmacht im heutigen Libyen war und dort blutige Kriege führte. Aber vor allem galt er dem Energielieferanten und einem zukunftsträchtigen Wirtschaftsgebiet. Allein Eni plante, in den kommenden 25 Jahren 28 Milliarden Euro in Libyen zu investieren. Etwa 125 italienische Firmen sind dort tätig, um Geschäfte von 40 Milliarden Euro soll es gehen. Sie reichen von der 1700 Kilometer langen "Autobahn der Freundschaft" zwischen Ägypten und Tunesien, über Universitäten, die die Firma Impregilo für eine Milliarde Euro erbauen soll, bis zu Kommunikationsanlagen. Der Rüstungskonzern Finmeccanica ist in Libyen aktiv, und Fiat produziert dort Lastkraftwagen.

Den Verdacht, dass Berlusconi die Nähe zu Gaddafi auch für eigene Geschäfte nutzte, hegen viele in Italien. Bekannt ist zumindest, dass seine Holding Fininvest wie Gaddafis Firma Lafico an der Produktionsgesellschaft Quinta beteiligt ist. Diese wiederum hält Anteile am Maghreb-Satellitensender Nessma TV.

Umgekehrt steckt auch viel libysches Geld in Italien. Bei Unicredit, der größten Bank des Landes, der auch die Hypovereinsbank gehört, ist Libyen mit 7,5 Prozent größter Aktionär. Je zwei Prozent von Fiat und Finmeccanica sind in libyscher Hand, wie auch 14,8 Prozent des zur Telecom gehörenden Breitband-Unternehmens Retelit. Gaddafis Arm reicht auch bis in die erste Liga des italienischen Fußballs: Sein Land hält 7,5 Prozent der Aktien von Juventus Turin.

Italien blickt nun mit Sorge übers Mittelmeer, nicht nur wegen Öl, Gas und Investitionen. Dankbar war Rom dem Diktator, weil er Italien half, Bootsflüchtlinge aus Afrika abzuwehren. Nach einem Abkommen sank ihre Zahl von fast 35.000 im Jahr 2008 auf unter 4000 im vergangenen Jahr. Den Preis dafür zahlen die in Libyen Gestrandeten, denen dort alle Rechte verweigert werden.

© SZ vom 23.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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