Berlusconis Holocaust-Spruch über Deutsche:SPD nennt Merkels Schweigen skandalös

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"Für die Deutschen haben die Konzentrationslager nie existiert": Die Äußerungen von Silvio Berlusconi sorgen für Empörung unter deutschen Spitzenpolitikern. (Foto: REUTERS)

Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi hat die Deutschen indirekt als Holocaust-Leugner dargestellt. Nun empören sich deutsche Politiker über Berlusconi, dessen CDU-Schwesterpartei Partei Forza Italia einen antideutschen Europa-Wahlkampf macht. SPD und FDP fordern von der Unionsspitze klare Worte.

Erst macht Silvio Berlusconi mit einer Deutschland-kritischen Kampagne seiner Partei Forza Italia (FI) Furore, dann bezeichnet er die Deutschen indirekt als Holocaustleugner. Die Empörung in den Reihen deutscher und europäischer Spitzenpolitiker ist groß - über die Parteigrenzen hinweg.

Im Zusammenhang mit einer neuen Attacke auf EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) hatte Berlusconi gesagt: "Für die Deutschen haben Konzentrationslager nie existiert." Indes wirbt die FI im Europa-Wahlkampf mit kritischen Parolen über Deutschland: "Più Italia, meno Germania" ("Mehr Italien, weniger Deutschland") steht auf ihren Plakaten. Forza Italia macht die deutsche Sparpolitik für die Rezession der italienischen Wirtschaft verantwortlich. Berlusconis Partei fordert, sich dem Kurs zu widersetzen.

Die SPD forderte Kanzlerin Angela Merkel zum Eingreifen auf. Das Schweigen der CDU-Chefin sowie ihres CSU-Kollegen Horst Seehofer sei skandalös, sagte Generalsekretärin Yasmin Fahimi und attackierte damit die beiden Koalitionspartner. Auch die FDP-Europaabgeordnete Nadja Hirsch rief die Unionsspitze auf, sich von Berlusconi zu distanzieren: "Eigentlich macht es Berlusconi doch Frau Merkel leicht, endlich einen Trennstrich zu ziehen". Hirsch warf dem italenischen Ex-Premier vor, die EU-Mitgliedsländer gegeneinander auszuspielen. "Berlusconi will spalten", sagte sie zu SZ.de.

Martin Schulz, der auch Spitzenkandidat der Sozialisten im Europawahlkampf ist, sagte dem Spiegel: "Es ist empörend, dass eine Schwesterpartei der CDU in Italien mit antideutschen Parolen Wahlkampf macht." Ein solches Plakat zerstöre den Geist der europäischen Einigung. "Deutschland ist ein sehr solidarisches Land, und deshalb ist ein solches Plakat unverschämt."

Schuld sei ein "hoher Alkoholpegel"

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner forderte die Spitzen der konservativen Europäischen Volkspartei EVP auf, die Äußerungen Berlusconis zurückzuweisen. "Die EVP muss dieser untragbaren Entgleisung gegenüber allen deutschen Bürgerinnen und Bürgern mit aller Entschiedenheit begegnen. Wer solche Äußerungen in der eigenen Parteienfamilie schweigend mitträgt, gefährdet den Zusammenhalt der Demokraten", sagte Stegner an die Adresse von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Jean-Claude Juncker, dem EVP-Spitzenkandidaten für die bevorstehende Wahl zu Europaparlament.

Sergej Stanischew, Chef der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) nannte Berlusconis Holocaust-Äußerungen eine "Beleidigung" des "gesamten deutschen Volks" und nicht nur seines Parteifreunds Schulz. Sie seien ein "zynischer Versuch", von den wirklich wichtigen Themen europäischer Politik wie Arbeitsmarkt und Wachstum abzulenken. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) nannte Berlusconis Äußerungen im Kurzbotschaftendienst Twitter "unsäglich".

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Kritik musste Berlusconi auch aus den Reihen der EVP hinnehmen. "Das ist nicht in Ordnung. Dafür fehlt mir jedes Verständnis", sagte Herbert Reul, Chef der Unionsabgeordneten im EU-Parlament, dem Spiegel. Elmar Brok, Präsident der Auslandskommission der EVP und Berater Merkels, betonte, dass Berlusconis Worte absurd seien. "Jeder auf der Welt weiß, dass Deutschland volle Verantwortung für die KZ übernommen hat. Was Berlusconi behauptet, ist einfach lächerlich", so Brok in einer Meldung der österreichischen Nachrichtenagentur APA.

David Sassoli, Chef der Abgeordneten der italienischen Demokratischen Partei (PD) im Europäischen Parlament, schrieb Berlusconis Ausführungen einem "hohen Alkoholpegel" zu. Der französische Sozialistenchef Jean-Christophe Cambadélis erklärte, die "neuerliche Provokation" stamme von einem "Mann, der "im Bündnis mit der extremen Rechten an die Macht gekommen" sei.

Kein Gefängnis wegen des Alters, trotzdem Leitfigur der FI

Aus Berlusconis Umgebung wurde die Kritik als "politische Instrumentalisierung" abgetan. Der 77-Jährige, dessen Partei FI einen Monat vor der Europawahl laut Umfragen in einer tiefer Krise steckt, warnte die Italiener davor, ihre Stimme linken Parteien zu geben.

Er selbst war im August vergangenen Jahres wegen Steuerbetrugs zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Er wurde mit einem Verbot öffentlicher Ämter für zwei Jahre belegt und darf daher nicht für seine Mitte-Rechts-Partei FI für die Europawahl antreten. Dennoch sieht er sich als deren Leitfigur im Wahlkampf. Ins Gefängnis muss er wegen seines fortgeschrittenen Alters nicht. Er soll vielmehr Sozialdienst in einem Altersheim ableisten.

© Süddeutsche.de/dpa/AFP/odg/ipfa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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