Berliner SPD:Parteichef mit Hindernissen

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Nach großen Querelen will der Regierende Bürgermeister Michael Müller an die SPD-Spitze. In Umfragen ist die Partei deutlich zurückgefallen.

Von Jens Schneider, Berlin

Es soll ein Zeichen der Stärke sein und ihm Stärke verleihen in Zeiten zunehmender Bedrängnis. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller will wenige Monate vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus die Führung der Berliner SPD übernehmen. "Wir brauchen eine Struktur, die die Kräfte bündelt und fokussiert in der Wahlkampfzeit, aber vor allem für die Zeit danach", sagte Müller. Der amtierende Landesvorsitzende Jan Stöß erklärte daraufhin, dass er beim Parteitag Ende April nicht wieder antreten will. Er habe Müller angeboten, "ihn weiter zu unterstützen". In Umfragen ist die SPD deutlich zurückgefallen, der von Müller geführte rot-schwarze Senat hätte derzeit keine Mehrheit.

Kontrahent Stöß will den Landesverband "keinesfalls in eine Zerreißprobe führen"

Müller wird in seinem Streben an die Spitze von vielen Parteifreunden unterstützt, auch vom SPD-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Raed Saleh, der wie Stöß lange zu Müllers Konkurrenten zählte. Stöß wäre gerne Parteichef geblieben und zog sich erst nach einem Tag Bedenkzeit zurück. Noch am Mittwoch hatte er angesichts der von Müller angekündigten Kandidatur von einer "nicht einfachen Situation" für die Partei gesprochen. Am Donnerstagvormittag trafen sich Müller und Stöß dann zu einem Gespräch. Anschließend gab Stöß seinen Verzicht schriftlich bekannt: Er sei zwar von vielen "ermutigt und unterstützt worden, diesen Weg weiterzugehen, auch in den letzten Tagen und Stunden", wolle aber den Landesverband "keinesfalls in eine Zerreißprobe führen". Unklar blieb zunächst, ob und wie er in der Spitze weiter eingebunden werden soll. Es hieß, dass Stöß Partei-Vize werden wollte, Müller aber andere Kandidaten unterstützen würde.

Der Regierungschef machte am Donnerstag deutlich, dass er sich von der Parteiführung unter Stöß nicht ausreichend unterstützt fühlte. "Ich glaube, dass es eine Struktur geben muss im Landesverband, die sich ganz selbstverständlich in bestimmten Situationen auch von sich aus engagiert", sagte er. "Da habe ich mir mitunter in der Vergangenheit mehr gewünscht." Er monierte, es sei nicht einfach gewesen, "die Wünsche des Regierenden Bürgermeisters mit zu berücksichtigen".

Der dem linken Flügel zugerechnete Stöß und Müller sind seit Langem Kontrahenten in der Berliner SPD. Beide konkurrierten 2014 um die Nachfolge von Klaus Wowereit, als dieser nach vielen Jahren seinen Amtsverzicht ankündigte. Müller gewann die Mitgliederbefragung deutlich. Zwei Jahre zuvor hatte Stöß ihm das Amt des Parteivorsitzenden in einer Kampfabstimmung abgenommen. Diese Niederlage gegen Stöß nahm Müller damals als schwere Demütigung auf.

Als er Ende 2014 Regierungschef wurde, betonten beide, dass sie zusammenarbeiten wollten. Noch vor wenigen Wochen stellte sich Stöß mit einer wortgewaltigen Erklärung hinter Müller, als der Regierende Bürgermeister Vorwürfe der Vetternwirtschaft in der Senatskanzlei abwehren musste, die bisher nicht erhärtet wurden.

Fünf Monate vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus liegt die Berliner SPD in Umfragen nur noch knapp vorn. Der Regierungschef selbst sackte auf den tiefsten Stand in seiner Amtszeit ab. Laut einer Umfrage von infratest dimap im Auftrag des rbb und der Berliner Morgenpost kommt die SPD derzeit nur auf 23 Prozent und rutschte gegenüber früheren Umfragen ab. Die CDU käme auf 21 Prozent. So hätten SPD und CDU zusammen nur 44 Prozent der Stimmen, die Oppositionsparteien 51 Prozent. In dieser Umfrage legte die AfD in Berlin auf 13 Prozent zu. Die Grünen liegen bei 17, die Linke bei 16 Prozent. Die FDP würde mit fünf Prozent ins Abgeordnetenhaus einziehen.

© SZ vom 15.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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