Berliner Rede:Die schlichten Wahrheiten des Horst Köhler

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Sein Thema: die Globalisierung. Seine Schlussfolgerung: Alles wird gut. Wenn wir nur immer schön freundlich zueinander sind.

Thorsten Denkler, Berlin

Das gesprochene Wort gehört zum Werkzeug eines Bundespräsidenten wie die Kelle in der Hand des Maurers. Für beide gilt: Wer sein Werkzeug nicht beherrscht, sollte den Beruf wechseln.

Horst Köhler ist jetzt drei Jahre im höchsten Staatsamt. Das letzte Drittel seiner Amtszeit ist angebrochen. Schon jetzt wird darüber debattiert, ob er wiedergewählt werden sollte. Er sei zu sehr Amtsverwalter, zu wenig Gestalter. Nicht wenige meinen, Horst Köhler sollte es nach einer Amtszeit gut sein lassen.

Heute wäre ein guter Zeitpunkt gewesen, die immer größer werdende Schar der Kritiker zu überzeugen. Köhler hatte seine zweite Berliner Rede zu halten. Es war zudem die zehnte Berliner Rede eines Bundespräsidenten. Roman Herzog hat diese Tradition 1997 mit seiner berühmt gewordenen Ruck-Rede begründet.

Köhler ließ die Chance ungenutzt. Von Aufbruch, von Visionen keine Spur. Nach dieser Rede stellt sich die Frage umso mehr, wozu das Land diesen Bundespräsidenten eigentlich braucht.

Der Bundespräsident kritisiert auch Europa

Köhler referierte 45 Minuten lang über die Chancen der Globalisierung. Wer ihm zuhörte, der musste zu dem Schluss kommen: Etwas Besseres ist der Menschheit bisher nicht zugestoßen. Weniger Armut, höhere Lebenserwartung, Machthaber, die sich nicht mehr alles erlauben können, weil "alle alles beobachten".

Klar, manche Folgen der Globalisierung sind im Einzelfall doch nicht so erfreulich. Da regiere zuweilen die "Rücksichtslosigkeit des Stärkeren". Auch Europa, sagt Köhler, fische die Küsten Afrikas leer und verweise "kalt lächelnd" auf geschlossene Verträge. Das hat gesessen.

Aber Köhler wäre nicht ehemaliger Sparkassendirektor, wenn er nicht die einzig richtige Lösung auf seinem Sprechzettel stehen hätte. "Es ist wirklich vernünftiger, freundlich zu sein." Nur dann bleibe die Erde "ein wohnlicher Stern". Wir sollten nicht übersehen, "dass wir Fair Play brauchen statt Gemeinheit, Brot und Bücher statt Aufrüstung, Respekt statt Überheblichkeit".

Es sind solche - mit Verlaub - Plattheiten, die es schwer machen, diesem Präsidenten noch zu folgen. Wo will er hin? Womit will er den Menschen im Gedächtnis bleiben? Und: Warum sollte er eine zweite Amtszeit bekommen?

"Globalisierung gestalten durch Anstrengung und fröhliche Begeisterung"

Er sagt ja durchaus richtige Sachen. Niemand, der nicht zustimmend nicken würde. Aber das war es dann auch schon. Im Radialsystem V, einem zum Kulturzentrum umgebauten ehemaligen Pumpwerk an der Spree, gab es jedenfalls nur einen Applaus für Horst Köhler: Den am Ende seiner Rede.

Vorher hatte er die Bürger in seinem Schlussakkord noch aufgefordert, bessere Menschen zu werden. Wir sollen nicht nur den Preis der Waren kennen, sondern auch deren Wert, wir sollen Haltepunkte und Ankerplätze suchen "zum Beispiel im Erleben der Natur, in der Beschäftigung mit Kunst, Musik und Literatur". Wir sollen die Globalisierung gestalten, durch fortwährende Anstrengung und "fröhliche Begeisterung".

Bessere Menschen in diesem Sinne sind Menschen wie Horst Köhler. Hier spricht die bildungsbürgerliche Mittelschicht. Köhler macht damit seine Person zum Maßstab für das Glück einer Nation. Wer so handelt, der wird zu Recht nicht über den Stellenwert einer Episode hinauskommen. Und über eine Amtszeit erst recht nicht.

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