Berliner Rede des Bundespräsidenten:"Wir Deutsche sind als Weltverbesserer gefragt"

Steuersenkungen und Verlängerung der Wahlperioden - nur zwei Forderungen, mit denen sich Bundespräsident Köhler in die aktuelle politische Debatte einschaltet. In seiner dritten Berliner Grundsatzrede stellt Köhler die Themen Arbeit, Bildung und Integration in den Mittelpunkt - und versucht die "Weltverbesserer" in den Deutschen aufzurütteln.

Bundespräsident Horst Köhler hat sich für die Senkung von Steuern und Abgaben ausgesprochen. Die Steuerbelastung vor allem des Mittelstandes wirke zunehmend unfair, merkte Köhler in einer Grundsatzrede vor rund 200 Gästen in seinem Amtssitz Schloss Bellevue kritisch an.

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(Foto: Foto: dpa)

"Inzwischen müssen schon Facharbeiterfamilien sehr schnell Steuersätze zahlen, die früher nur für Reiche galten." All dies drücke auf die Steuermoral und den Leistungswillen. Köhler prangerte insbesondere die Folgen der sogenannten kalten Progression an: "Schon für Durchschnittsverdiener bedeutet eine Gehaltserhöhung rasch einen höheren Steuertarif und entsprechend weniger Netto vom Brutto" , sagte er.

"Vollbeschäftigung ist möglich"

Dies müsse sich ändern. Nötig sei außerdem eine Vereinfachung des Steuerrechts, das inzwischen völlig undurchschaubar sei. Dies führe zu den unsinnigsten Geldanlagen, nur um Steuern zu sparen. Damit stellte sich Köhler indirekt an die Seite der CSU. Diese hatte Anfang Mai als erste Koalitionspartei ein Steuerkonzept vorgestellt, das die Steuerzahler um 28 Milliarden Euro entlasten soll.

Während die Forderungen von Teilen der CDU unterstützt werden, pochen Bundeskanzlerin Angela Merkel und die SPD darauf, dass die Haushaltskonsolidierung absoluten Vorrang haben müsste.

Köhler plädierte zugleich dafür, die sozialen Sicherungssysteme künftig stärker durch Steuern zu finanzieren. Deutschland habe ein Jahrhundert lang die Kosten der sozialen Sicherheit vor allem den Arbeitern, Angestellten und privaten Arbeitgebern auferlegt. Dies hemme inzwischen das Entstehen neuer Arbeitsplätze. Durch eine stärkere Streuerfinanzierung könnten alle Bürger entsprechend ihrer Leistungskraft zur sozialen Sicherheit beitragen.

Köhler forderte in seiner Rede auch eine "anständige Grundabsicherung" für alle. Er bezeichnete Arbeit, Bildung und Integration als zentrale Ziele für Deutschland. Die Chancen für mehr Arbeit seien auch dank der Globalisierung "grandios".

"Vollbeschäftigung ist möglich, wenn wir ihre Voraussetzungen und unsere Chancen verstehen und entsprechend handeln." Der Bundespräsident lobte insbesondere die Erfolge auf dem Arbeitsmarkt. In den vergangenen drei Jahren hätten mehr als 1,6 Millionen Menschen in Deutschland zusätzlich einen Arbeitsplatz gefunden, sagte Köhler. "Diese Fortschritte tun dem Land unendlich gut." Köhler forderte eine "anständige Grundabsicherung", die Bürger müssten "durch eigene Erwerbstätigkeit mindestens dazu beitragen können."

Zugleich müsse sichergestellt werden, dass aus dem Niedriglohnbereich viele Wege nach oben führten. Ausdrücklich hob Köhler die Chancen der Globalisierung hervor. Die internationalen Voraussetzungen für mehr Beschäftigung in Deutschland seien bestens, betonte er. Es sei falsch, das Wachstum der Weltwirtschaft als bedrohlich und zerstörerisch anzusehen.

"Dabei sind als Weltverbesserer gerade auch wir Deutsche gefragt"

Die dringend nötige politische Gestaltung der Weltmärkte habe längst begonnen. Dabei seien Klimaschutz und die Ordnung der Weltfinanzmärkte vorrangig. "Zweitens bleibt weltweites Wachstum das wirksamste Mittel gegen Hunger und Armut. Drittens macht alles in allem Wachstum die Welt heiler, als sie heute ist."

Zum Beweis verwies Köhler auf die Chancen, die die Modernisierung eines Landes wie China oder Brasilien berge. "Und dabei sind als Weltverbesserer gerade auch wir Deutsche gefragt und können gute Geschäfte machen", sagte Köhler.

Köhler hat auch längere Wahlperioden und eine Reform des Wahlrechts vorgeschlagen, um Politik effektiver zu machen und Politikverdrossenheit zu bekämpfen. "Gegen den hierzulande meist herrschenden Dauerwahlkampf ließe sich die Legislaturperiode des Deutschen Bundestags auf fünf Jahre verlängern". Zudem könnten öfter als bisher mehrere Landtags- und Kommunalwahlen auf einen Tag gelegt werden. Die Bürger könnten stärker beteiligt werden, wenn sie auf den Wahllisten der Parteien für einzelne Kandidaten stimmen könnten. Diese Möglichkeit gibt es auf Bundesebene bisher nicht, dort gilt die Zweitstimme für die gesamte Wahlliste einer Partei.

Ausschnitte aus der Berliner Rede von Bundespräsident Köhler sind abrufbar unter http://sz-audio.sueddeutsche.de/politik.

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