Berliner Pannenflughafen:Müllers Kehrtwende am BER

Hauptstadtflughafen Berlin Brandenburg "Willy Brandt" (BER)

Blick vom Dach des Terminalgebäudes des Hauptstadtflughafens Berlin Brandenburg (BER) in Schönefeld

(Foto: dpa)

Berlins Regierender Bürgermeister Müller wollte eigentlich raus aus dem Aufsichtsrat des BER. Nun möchte er sogar Chef des Gremiums werden. Andere konstatieren eine "Rolle rückwärts".

Von Jens Schneider, Berlin

Es ist eine Volte, die Michael Müller sich wohl gern erspart hatte. Zumindest entspricht sie absolut nicht seinen bisherigen Plänen.

Der Regierende Bürgermeister von Berlin will nun überraschend doch Aufsichtsratschef für den BER werden, also für den künftigen Hauptstadtflughafen, Deutschlands ewige Baustelle. Müller übernimmt damit eine heikle Aufgabe, die er nicht wollte - und die seinen Vorgänger Klaus Wowereit wegen der vielen Pannen um den guten Ruf brachte. Die Eröffnung musste wegen vieler Planungs- und Baufehler immer wieder verschoben werden.

"Es wird nicht einfach und nicht lustig", sagte Müller dem rbb zu seinen Plänen. "Aber wenn Steuergelder verbaut werden, dann sind und bleiben wir in der Verantwortung." Im Juli will er an die Spitze des Aufsichtsrats gewählt werden, den derzeit kommissarisch ein Staatssekretär aus Brandenburg führt. Dabei hatte Müller noch bis vor kurzem sehr offensiv und - zumindest für sich überzeugend - begründet, warum er den Aufsichtsrat lieber ganz wieder verlassen und den Vorsitz einem Staatssekretär überlassen wollte.

Dass nun alles anders kommt, hat mit der verworrenen Situation rund um den BER und dessen drei Eigentümer zu tun, von denen einige oft den Eindruck hinterlassen, dass sie mit dem Pannen-Airport als Politiker besser nichts zu tun haben wollen.

"Es wird nicht einfach und nicht lustig"

Vor allem gilt das für Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), der die Landesregierungen in Berlin und Brandenburg zuletzt mit skurrilen Vorschlägen zum BER verblüffte, aber wenig konkretes Engagement zeigte.

Der Bund ist mit den Ländern Berlin und Brandenburg Anteilseigner des Flughafens, der - wenn jetzt wirklich mal alles nach Plan läuft - Ende 2017 in Betrieb gehen soll. Zwischen den drei Anteilseignern gab es zuletzt viele Irritationen. Intern krachte es heftig, als vor wenigen Wochen der Ingenieur Karsten Mühlenfeld zum neuen Geschäftsführer des Flughafens und damit zum Nachfolger von Hartmut Mehdorn gewählt wurde - gegen den Wunsch des Bundes, der an Mühlenfelds Eignung zweifelte, aber überstimmt wurde.

Für den Aufsichtsrat hatte Müller sich zugleich gewissermaßen eine kleine Lösung ausgedacht. Er wollte sich aus dem Gremium, dem er seit Dezember als einfaches Mitglied angehörte, zurückziehen, weil auch der Bund und Brandenburg nicht mit Spitzenpolitikern vertreten sind.

Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) gilt zwar in Sachen Flughafen stets als bestens informiert und zieht in Potsdam intern die Fäden, wenn Entscheidungen anstehen. Aber in den Aufsichtsrat will Woidke nicht. Da Dobrindt ohnehin Distanz hält, verfielen die Eigner dieses Flughafens, der noch keine Flugzeuge erlebt, eben auf den Plan, den Aufsichtsrat weitgehend zu entpolitisieren. Statt dessen sollten Fachleute in das Gremium, auch von Seiten des Landes Berlin. Müller sah seinen Baustaatssekretär Engelbert Lütke Daldrup als Vorsitzenden vor, das galt bis zu dieser Woche.

Die politische Verantwortung für den Flughafen wollte man über die Gesellschafterversammlung wahrnehmen. Sie sollte gestärkt werden, mit den Spitzen der Länder Berlin und Brandenburg sowie des Bundesverkehrsministeriums. Doch Dobrindt ließ Müller auflaufen. Er sehe keine Notwendigkeit, in die Gesellschafterversammlung zu gehen, erklärte er. Woidke wollte sich auch nicht definitiv festlegen.

Also kam es nach langem internen Gezerre über die Frage, wer nun wie Verantwortung übernehmen würde, jetzt zur Kehrtwende. Weil die anderen sich über Wochen nicht klar äußerten, wie es weiter gehen solle, "glaube ich, das geht so nicht mehr", sagt Müller. "Wir müssen auch für die neue Geschäftsführung eine klare Linie einziehen."

Und nun kann er gut als richtig begründen, was vorher nicht mehr richtig sein sollte. Es sei eben nicht sein Verständnis von Politik, sich zurück zu ziehen, wenn es schwierig werde.

Entweder alle Spitzenpolitiker, oder keiner

Tatsächlich hatte Müller schon im letzten Herbst, als er um die Nachfolge von Wowereit kämpfte, immer betont, dass nach seiner Auffassung die Spitzen der Politik Verantwortung übernehmen müssten beim BER. Er verstand damals nicht, dass Woidke fern blieb. Umso mehr überraschte dann vor Wochen seine Entscheidung, sich aus dem Aufsichtsrat ganz zurück zu ziehen. Er begründete sie damit, dass ja die anderen auch nicht dabei seien. Deshalb seien immer, wenn Entscheidungen gebraucht würden, alle Augen auf ihn gerichtet. So habe er es gleich in der ersten Sitzung erlebt. Das könne nicht funktionieren, erklärte Müller zu Jahresbeginn. Seine Botschaft damals: Entweder sollten alle Spitzenpolitiker dabei sein, oder keiner.

Nun soll es doch nur mit ihm funktionieren, eben weil er nicht einfaches Mitglied, sondern Vorsitzender sein will. Sein Staatssekretär Lütke Daldrup soll auch in den Aufsichtsrat, als Flughafenkoordinator. Im Roten Rathaus wird seit Wochen zudem ein Sonderreferat für den Flughafen in der Senatskanzlei aufgebaut. Müllers Vorgänger Wowereit standen als Aufsichtsratschef zwei Beamte zur Seite. Der neue Stab wird deutlich größer sein.

Aus Potsdam signalisierte Regierungschef Woidke großzügig Zustimmung: "Der Regierende Bürgermeister hat mich vorab von seiner Entscheidung in Kenntnis gesetzt", ließ er mitteilen. "Das Land Brandenburg wird Michael Müller in seiner neuen Funktion unterstützen." Er schaut sich das weiter aus der Distanz an.

Brandenburgs stellvertretender Ministerpräsident und Finanzminister Christian Görke von der Linken sprach von einer "Rolle rückwärts". Brandenburg aber bleibe bei seiner Linie, keine Regierungspolitiker in den Aufsichtsrat zu entsenden. Görke selbst hatte sich im letzten Herbst aus dem Gremium zurückgezogen. Die Opposition in Potsdam schüttelt den Kopf. Die rot-rote Landesregierung sei nun nur noch "Zaungast am eigenen Flughafen", kritisiert CDU-Chef Ingo Senftleben. Brandenburgs Ministerpräsident dürfe sich nicht hinter seinem Berliner Amtskollegen verstecken.

In Berlin kommentieren die oppositionellen Grünen Müllers Kehrwende spöttisch. "Müllers Entscheidung, an die Spitz des Aufsichtsrates zu gehen, ist ein Himmelfahrtskommando", sagt Fraktionschefin Ramona Pop. "Der Streit zwischen den Gesellschaftern ist damit bei weitem nicht beigelegt. Es steht zu befürchten, dass auch weiterhin wichtige Entscheidungen vertagt werden."

Pop macht zugleich deutlich, was das Manöver für Müller bedeutet: Man wird jetzt noch mehr auf ihn blicken, wenn es Probleme gibt. " Als Aufsichtsratschef wird Michael Müller gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in der Verantwortung stehen, endlich Transparenz über die tatsächlichen BER-Kosten zu schaffen."

Es sind tatsächlich Fortschritte zu sehen

5,4 Milliarden sind für den Flughafen vorgesehen. Aber Kritiker bezweifeln, dass diese Summe reichen wird. Und auch das Geschehen auf der Baustelle wird mit Skepsis verfolgt. Dort wird seit einigen Monaten immerhin sichtbar wieder gebaut. Es sind Mängel beseitigt worden und tatsächlich Fortschritte zu erkennen.

Aber Baustellen-Chef Jörg Marks mahnte kürzlich in einem internen Schreiben, dass es manche Probleme gibt. Auf der Baustelle glaube man weiter an den versprochenen Eröffnungstermin 2017, heißt es aber.

Gerade konnte ein "Meilenstein" auf dem Weg zu diesem Ziel erreicht werden, erklärte die Flughafen-Gesellschaft am Donnerstag. Die Planungsunterlagen für den nötigen Umbau der bisher mangelhaften Entrauchungsanlage seien jetzt bei der Genehmigungsbehörde abgegeben worden, so wie versprochen. Vor allem an der Entrauchungsanlage hängt die Fertigstellung des BER. Ein Termin, der für den Wowereit-Nachfolger Müller ist das Datum jetzt noch viel wichtiger geworden ist.

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