Berlin:Überraschende Wendung

Brigitte Zypries

Die Juristin Brigitte Zypries, 63, machte schon in der ersten großen Koalition unter Angela Merkel Erfahrungen als Ministerin. Sie leitete von 2002 bis 2009 das Justizministerium.

(Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

Brigitte Zypries soll Bundeswirtschaftsministerin werden. Dabei hatte sie erst vor wenigen Wochen angekündigt, bei den Bundestagswahlen 2017 nicht mehr zu kandidieren.

Von Nico Fried, Berlin

Sigmar Gabriel als neuer Außenminister. Einen größeren Gegensatz des Temperaments zum bisherigen Amtsinhaber kann man sich kaum vorstellen. Der tiefschürfenden diplomatischen Tüftelei Frank-Walter Steinmeiers, seiner oftmals geradezu schwerblütig wirkenden Akribie und unerschütterlichen Ausdauer auch in aussichtslosen Verhandlungssituationen folgt nun die ambitionierte, aber häufig ruppige Ungeduld eines Sigmar Gabriel. Fast könnte man meinen, der neue Posten sei ein letzter Versuch des zurückgetretenen SPD-Vorsitzenden, mit 57 Jahren endlich auch einmal populär zu werden. Hat doch das Auswärtige Amt bislang noch jeden Chef beliebt gemacht.

Als Außenminister und Vizekanzler bleibt Gabriel in die Kabinettsdisziplin eingebunden. Es ist eher zweifelhaft, dass die Deutschen es mehrheitlich schätzen würden, wenn Gabriel nun seine eigene Außenpolitik im Kontrast zur Kanzlerin betreiben würde. So gesehen hätte Gabriel jetzt die Chance, seinen in der öffentlichen Wahrnehmung etwas dürftigen Vorrat an Seriosität aufzufüllen. Andererseits hat er in den vergangenen Tagen schon erheblich deutlicher als Angela Merkel zum Beispiel seine Skepsis gegenüber dem neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump kenntlich gemacht. Und Gabriel dürfte mit Blick auf Teile der sozialdemokratischen Wählerschaft an einer Verbesserung des Verhältnisses zu Russland gelegen sein.

Der Wechsel in der SPD-Führung und die voraussichtliche Wahl von Frank-Walter Steinmeier zum Bundespräsidenten zieht einen weiteren Umbau im Bundeskabinett nach sich. Nachfolgerin von Sigmar Gabriel als Ressortchefin im Wirtschaftsministerium soll Brigitte Zypries werden, derzeit noch parlamentarische Staatssekretärin im selben Haus. Für die 63-jährige gebürtige Kasselerin ist diese Berufung eine überraschende Wendung, denn erst vor einigen Wochen hatte sie angekündigt, bei den Bundestagswahlen 2017 nicht mehr zu kandidieren. Zuletzt hatte Zypries 2013 ihren Wahlkreis Darmstadt gegen den aus Fernsehkrimis bekannten Charles M. Huber von der CDU gewonnen.

Zypries war erstmals zu rot-grünen Zeiten in der Bundesregierung - als Staatssekretärin von Innenminister Otto Schily. Die Juristin und Studienfreundin Steinmeiers aus Zeiten an der Universität Gießen erwies sich als effiziente Verwaltungsbeamtin. Sie leitete unter anderem die Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung nach der Flutkatastrophe 2002. Ihr Krisenmanagement hat mit dazu beigetragen, dass Gerhard Schröders rot-grüne Regierung im selben Jahr noch einmal gewählt wurde. Zypries folgte dann der wegen eines angeblichen Vergleichs des US-Präsidenten George W. Bush mit Adolf Hitler zurückgetretenen Herta Däubler-Gmelin im Justizministerium.

In der ersten großen Koalition unter Angela Merkel behielt sie dieses Amt. In der zweiten großen Koalition kehrte sie zwar nicht mehr in ein Ministeramt zurück, wurde aber Staatssekretärin in Gabriels Wirtschaftsressort. Mit Angela Merkel kommt Zypries gut aus, bis heute haben beide Frauen stets ausreichend Gesprächsstoff, wenn sie auf der Regierungsbank nebeneinander sitzen. So sind beide Damen beim selben Orthopäden in Behandlung - Merkel seit dem Bruch ihres Beckens, Zypries wegen einer Schulterfraktur.

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