Berlin-Schelte des Bundesbank-Vorstands:Sarrazins Reue

Erst lästert Berlins Ex-Finanzsenator über die Hauptstadt, jetzt zeigt sich Sarrazin zerknirscht: Er habe Probleme nur "anschaulich" machen wollen. Der Bundesbankchef ist wenig amüsiert.

C. von Bullion und M. Hesse

Thilo Sarrazin gehört zu der Sorte von Menschen, die nicht nur schnell denken und rechnen können, sonder sich vom eigenen Mundwerk auch gern mal zu einem flotten Spruch hinreißen lassen, der für öffentliche Empörung sorgt. Der ehemalige Berliner Finanzsenator, der jetzt im Vorstand der Bundesbank sitzt, lässt solche Stürme der Entrüstung normalerweise vorüberziehen, manchmal mit sichtlicher Freude am Eklat.

Seinen jüngsten Coup aber würde er wohl lieber ungeschehen machen. "Die Reaktionen, die mein Interview in Lettre International verursacht hat, zeigen mir, dass nicht jede Formulierung in diesem Interview gelungen war. Das bedauere ich", sagte er der Süddeutschen Zeitung am Donnerstag.

"Mein Anliegen war es, die Probleme und Perspektiven der Stadt Berlin anschaulich zu beschreiben, nicht aber einzelne Volksgruppen zu diskriminieren", sagte Sarrazin. Er habe als Berliner Bürger und ehemaliger Senator seine private Meinung geäußert, "nicht aber für die Bundesbank gesprochen".

Sarrazin hatte dem eleganten Berliner Kulturmagazin Lettre International ein langes Interview gegeben, in dem er über die Probleme der Stadt Berlin und die Mentalität ihrer Bewohner sprach.

Die Hauptstadt sei geprägt vom "Westberliner Schlampfaktor" stand da zu lesen, die politische Kultur sei "eher plebejisch", der Intellekt, der in der Stadt dringend gebraucht werde, müsse von anderswo "importiert" werden. Die Bildungspopulation in der Stadt werde indessen "von Generation zu Generation dümmer", besonders groß seine die Bildungsdefinzite "Türken" und "Arabern", ein großer Teil von ihnen sei "weder integrationswillig noch integrationsfähig".

Zur Lösung des Problems schlug Sarrazin drastische Maßnahmen vor: "Meine Vorstellung wäre, generell kein Zuzug mehr außer für Hochqualifizierte und perspektivisch keine Transferleistungen mehr für Einwanderer."

Bundesbankpräsindent Axel Weber war wenig amüsiert, er distanziert sich im Namen der Bundesbank "entschieden in Inhalt und Form von den diskriminierenden Äußerungen von Dr. Thilo Sarrazin". Das Interview stehe "in keinerlei Zusammenhang" mit Sarrazins Aufgaben bei der Bundesbank. Die Reaktion fiel deutlich schärfer aus als im Mai, damals distanzierte sich die Bundesbank schon einmal von Äußerungen Sarrazins.

Die Aussagen des Ex-Senators werden intern als Verstoß gegen den Verhaltenskodex der Bundesbank für Vorstandsmitglieder gesehen. Dort heißt es unter anderem: "Sie verhalten sich jederzeit in einer Weise, die das Ansehen der Bundesbank und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Bundesbank aufrecht erhält und fördert."

In Bundesbankkreisen geht man zwar nicht davon aus, dass die neuerliche Entgleisung Sarrazins weitere Konsequenzen hat. Berufen werden Bundesbank-Vorstände vom Bundespräsidenten. Doch es gilt als wahrscheinlich, dass es zwischen Weber und Sarrazin zu einer Aussprache kommt, wenn der Bundesbankpräsident von der Weltbanktagung zurückkehrt, die am Wochenende in Istanbul stattfindet.

Sarrazin hatte Bundesbank-Mitarbeiter auch durch Aussagen zu dem geplanten Stellenabbau und zu möglichen Versetzungen verärgert. Wenn man länger fahren müsse, weil eine Filiale geschlossen werde, sei das "zwar unangenehm, aber nicht existenzbedrohend."

Auch über die Berliner Unterschichten hat sich der Sozieldemokrat Sarrazin nicht zum ersten Mal mokiert. Sarrazin, der aus einer Familie von Bankdirektoren und Gutsverwaltern stammt, hat nie verbergen können, dass er sich manchem Kollegen intellektuell überlegen fühlte.

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