Berlin: Gewissenhaft

"Wir sind die Superverräter", sagt die Bundestagsabgeordnete Cemile Giousouf, die wie ihre Kollegen mit Hass-Kommentaren überschüttet wurde.

(Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Was türkischstämmige Bundestagsabgeordnete in den letzten Wochen erlebt haben, ist angsteinflößend. Ein Treffen mit Cemile Giousouf.

Es ist Montagmorgen in Berlin Mitte, das Café hat gerade geöffnet, die Spree dünstet ihren kühlen, modrigen Nachtatem aus, und es fällt einem nicht unbedingt ein, jetzt schon an den Abend zu denken, als Cemile Giousouf sagt: "Am Ende des Tages zählt, was mein Gewissen mir sagt." Am Anfang eines Satzes sagt sie sehr oft: am Ende des Tages. Natürlich ist das eine Floskel, die so inflationär gebraucht wird, dass man sie kaum mehr hören mag, doch aus ihrem Mund gesprochen hat "am Ende des Tages" einen anderen Klang, einen ernsteren, drängenderen, denn ihr geht es tatsächlich um die Abrechenbarkeit, also darum, gut schlafen zu können, wenn die Nacht kommt, also darum, reinen Gewissens zu sein.