Berlin:Ein Fehlstart und kein Ende

Berlin's State Secretary for Housing Andrej Holm at discussion on Stasi past, Germany - 06 Jan 2017

Andrej Holm wurde von der Linken als Staatssekretär nominiert.

(Foto: Trueba/epa/Rex/Shutterstock)

Die Debatte um Andrej Holm belastet den Senat weiter. Dafür mitverantwortlich ist auch der Regierende Bürgermeister Müller.

Von Jens Schneider, Berlin

Michael Müller findet, dass man doch auch mal sehen sollte, was sein junger Senat so zustande gebracht habe. Da ist das 100-Tage-Programm, das Berlins rot-rot-grüner Senat beschlossen hat, damit dringend benötigte Investitionen schnell umgesetzt werden können. Genug Geld ist da, das Land erzielte 2016 einen Überschuss von 1,25 Milliarden Euro. Dann ist da das Sicherheitspaket. Wenige Wochen nach dem Anschlag auf den Breitscheidplatz hat der Senat beschlossen, schnell 46 Millionen zu investieren, um die Polizei besser auszustatten. Er sei sehr zufrieden, sagt der Regierende Bürgermeister.

Aber Müller ist ein Politiker, dem das Talent (oder der Wille) fehlt, ein Pokerface aufzusetzen. Und so offenbaren seine Züge, wie unglücklich die ersten Wochen dieser Koalition gelaufen sind. Es ist ein Leiden an einem Fehlstart, der sich in die Länge zieht - wofür auch Müller verantwortlich gemacht wird, weil er einen klaren Schnitt scheut. Seit vier Wochen bestimmt die Debatte über den Baustaatssekretär Andrej Holm und dessen Stasi-Vergangenheit das Bild des Senats. Müller trug gerade dazu bei, dass es so weitergehen wird: Die Sache sei "noch nicht abgeschlossen", sagte er. "Ich bin da auch mit mir noch am Ringen, wie ich damit umgehe."

Holm war 18, als er 1989 kurz vor der dem Ende der DDR eine Laufbahn bei der Stasi begann. Sein Vater war Stasi-Offizier, als die DDR gerade zusammenbrach, fing auch der Sohn dort an - mit Unbehagen, wie er später sagte. Seine Laufbahn endete praktisch mit dem Ende der Stasi. Es gibt manche, die ihm diese sechs Monate vorwerfen. Doch längst führt die Debatte darüber hinaus. Es geht nun darum, wie Holm seither damit umging. "Ich wehre mich dagegen, einen 18-Jährigen zu verurteilen", sagt Müller. Es gehe um die Zeit danach. Viele Sozialdemokraten halten den 46-Jährigen als Staatssekretär für untragbar, erst recht die Opposition.

Es geht um den Umgang Holms mit seiner Stasi-Vergangenheit

Das hat auch mit Holms heutigen politischen Positionen zu tun. Er wurde von der Linken als Staatssekretär nominiert und genießt ein hohes Ansehen bei Mieterinitiativen, die beklagen, dass in vielen Berliner Vierteln reiche Investoren ärmere Mieter verdrängten. Holm hat als "Stadtsoziologe" die Kritik an der "Gentrifizierung" wissenschaftlich unterfüttert. Dass er Sympathie für Hausbesetzungen zeigte und überhaupt radikale Töne anschlug, lässt ihn aus Sicht seiner Kritiker für das Amt als Staatssekretär ungeeignet erscheinen. Um so mehr unterstützen ihn Mieterinitiativen mit Solidaritätsadressen.

Dieser Hintergrund erklärt die Aufregung, die nicht nachlassen will. Auch Regierungschef Müller, der zuvor Senator für Stadtentwicklung war und Holm als Kritiker erlebte, dürfte Zweifel an dessen Eignung haben. Aber über Holms Zukunft entscheidet die Frage, ob er für Außenstehende ehrlich mit seiner Stasi-Vergangenheit umging. Die Linkspartei sieht das so, das hat der stellvertretende Bürgermeister Klaus Lederer gerade bekräftigt - dafür spricht, dass Holm sich schon vor Jahren zu seiner Geschichte bekannt hat.

Zum Verhängnis könnten ihm aber die Angaben werden, die er machte, als die Berliner Humboldt-Universität ihn 2005 anstellte. Sie sind nachweislich falsch: So verschwieg er die hauptamtliche Tätigkeit beim MfS. Holm sagt heute, er habe nichts vertuschen wollen. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass er 1989 schon als hauptamtlicher Mitarbeiter geführt wurde.

Seine Kritiker finden das unglaubwürdig. Nun muss die Humboldt-Universität prüfen, ob die falschen Angaben Konsequenzen haben. Erst danach will Katrin Lompscher entscheiden, die Bausenatorin, die Holm aussuchte. Und der Regierungschef? "Es ist auch meine Entscheidung, nicht nur, aber auch", sagt Müller über den Fall. Was das genau bedeutet, ließ er offen. Wird er einschreiten, falls Lompscher Holm halten will?

Als sicher gilt, dass Holm gehen muss, wenn die Humboldt-Universität entscheidet, dass der zurzeit beurlaubte wissenschaftliche Mitarbeiter seine Anstellung dort verliert. Sabine Kunst, die Präsidentin der Humboldt-Universität, gilt als Sozialdemokratin mit einem eigenen Kopf, die klare Entscheidungen fällt. Es heißt, dass sie das schnell tun will. Vorher wird es keine Ruhe geben.

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