Bericht des Wehrbeauftragten:Reform verschlechtert Stimmung bei Bundeswehr

Die Bundeswehrreform verunsichert viele Soldaten, rechte Umtriebe gehen zurück. Das sind Erkenntnisse, die der Wehrbeauftragte Königshaus in seinem Jahresbericht vorstellt. Ein weiteres Problem: die medizinische Versorgung der Truppe.

Der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus berichtet von einer tiefgreifenden Verunsicherung in der Bundeswehr wegen der laufenden Streitkräfte-Reform. Bei fast allen Dienstgraden sei die Stimmung schlecht, sagte der Beauftragte des Bundestags bei der Vorstellung seines Jahresberichts. Trotz der "sehr einschneidenden Veränderungen" seien die Soldaten aber sehr leistungsbereit und gut motiviert.

Parliamentary commissioner for German Bundeswehr Koenigshaus presentS annual report in Berlin

Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus, beklagt in seinem Jahresbericht die schlechte Stimmung bei der Bundeswehr.

(Foto: REUTERS)

Die Soldaten seien verunsichert, weil unklar sei, was die Umstrukturierung für die eigene Karriere bedeute, erklärte der FDP-Politiker. Demnach wissen viele nicht, welche Beförderungschancen sie durch den Umbau der Bundeswehr bekommen werden.

Die Bundeswehr wird im Zuge der Reform von ursprünglich 250.000 auf 175.000 bis 185.000 Soldaten verkleinert. Die Zahl der Zivilbeschäftigten wird von 76.000 auf 55.000 verringert, zahlreiche Standorte werden geschlossen oder verkleinert. Wie viele Soldaten umziehen müssen, ist allerdings immer noch unklar. Die Feinplanung soll erst im Frühjahr folgen.

Dem Bericht zufolge ging die Zahl rechtsextremistischer Vorfälle in der Bundeswehr erneut deutlich zurück. Bei den 63 Fällen habe es sich um Propagandadelikte gehandelt, etwa das Hören rechtsextremistischer Musik, das Zeigen des Hitlergrußes oder Sieg-Heil-Rufe, heißt es im Jahresbericht. Im Vorjahr 2010 wurden 82 Fälle gezählt, 2009 waren es noch 122. "Bei den Tätern konnten oft keine eindeutigen rechtsextremistischen Motive festgestellt werden", heißt es im Bericht. "Insbesondere jungen Mannschaftssoldaten fehlte in vielen Fällen die nötige Reife, ihr unbotmäßiges Handeln zu erkennen." Bedenklich sei allerdings, dass vereinzelt auch Unteroffiziere auffällig geworden seien.

Insgesamt sank die Zahl der Soldatenbeschwerden, die bei Königshaus eingingen, auf den tiefsten Stand seit Jahrzehnten. Im vergangenen Jahr seien exakt 4864 Eingaben registriert worden, sagte er. Dies ist der niedrigste Stand seit 1967. Zugleich wies Königshaus darauf hin, dass auch der Umfang der Streitkräfte erstmals auf unter 200.000 Mann gesunken und damit die Zahl der Eingaben "relativ gestiegen" sei.

Unzufrieden mit Afghanistan

Schwerpunkte der Beschwerden waren 2011 die Auslandseinsätze der Bundeswehr, wo gut 7.000 Mann ihren Dienst versehen. Die beklagten Defizite machen nach Einschätzung von Königshaus deutlich, dass die Bundeswehr "zumindest aus Sicht großer Teile der Truppe" seit Jahren "strukturell unterfinanziert" sei und Einsparungen erfahrungsgemäß zulasten der Soldaten gingen. Hier listete er wie im Vorjahr Eingaben der Soldaten zu Ausbildung, Ausrüstung, Sanitätsdienst und zur Versorgung Verwundeter, Traumatisierter und Hinterbliebener auf.

Vorschau: Wehrbeauftragter des Bundestages stellt Jahresbericht 2011 vor

Isaf-Soldaten beim Einsatz in Afghanistan. Viele Rückkehrer leiden in Deutschland unter seelischen Problemen.

(Foto: dapd)

Königshaus warnte davor, die Bundeswehrreform nur unter dem Aspekt der Einsparung zu betrachten. "Die Reform kostet Geld", sagte der Freidemokrat und betonte, der Umbau hin zu einer Freiwilligenarmee sei "kein Sparprogramm". Nicht nur die Ausrüstung müsse auf den neuesten Stand gebracht werden, wenn die Bundeswehr in Zukunft ein attraktiver Arbeitgeber sein wolle. Auch für die Nachwuchsgewinnung müsse zusätzliches Geld in die Hand genommen werden. Für ausscheidende Soldaten werde zudem rasch ein Reformbegleitgesetz gebraucht.

Das Ende der Wehrpflicht Mitte 2011 bewertete der Wehrbeauftragte trotz der hohen Abbrecherquote bei den Freiwilligen positiv. "Das Schöne an der Aussetzung der Wehrpflicht ist, dass man nicht mehr jeden nehmen muss", sagte er. Erstmals könne sich die Bundeswehr ihre Rekruten aussuchen. Auch sollte die Abbrecherquote von mehr als 25 Prozent bei den Freiwilligen nicht überbewertet werden. Schon immer hätten die Streitkräfte eine solch hohe Quote gehabt - oft aus gesundheitlichen Gründen.

Unzufrieden zeigte sich Königshaus mit den anhaltenden Problemen beim Afghanistan-Einsatz. Vor allem die hohe Abhängigkeit der Bundeswehr von der medizinischen Luftrettungskapazität der US-Streitkräfte bereite ihm Sorgen, sagte der Wehrbeauftragte mit Blick auf einen möglichen Abzug der US-Rettungshubschrauber aus dem Norden des Landes. Hier müsse das Verteidigungsministerium darauf achten, dass auch in Zukunft der hohe Standard der medizinischen Versorgung von Verwundeten erhalten bleibe.

Wenig Auswirkung auf die Arbeit des Wehrbeauftragten hat indes der bis Ende 2014 geplante Abzug der Kampftruppen vom Hindukusch. Allerdings fragten sich die Soldaten, ob der Schutz der eigenen Kräfte "bis zum Schluss" gewährleistet sein werde. Zudem sollte bei allen Abzugsplänen der Bundeswehr berücksichtigt werden, dass möglicherweise der Großteil der rund 130.000 Isaf-Soldaten das Land über den Norden verlassen wird, wo Deutschland die Verantwortung trägt. Das müsse sich in den Reduzierungsplänen niederschlagen.

Schlechte medizinische Versorgung

Als eines der großen Probleme, die sein Jahresbericht behandele, bezeichnete Königshaus die medizinische Versorgung der Soldaten, die mit seelischen Problemen aus dem Einsatz zurückkehrten. Im vergangenen Jahr seien 922 Fälle und damit so viel wie noch nie an Neuzugängen gezählt worden, 759 von ihnen kamen laut Königshaus aus dem Afghanistaneinsatz. Es sei für ihn nicht einzusehen, warum die Soldaten ein langes, bürokratisches Anerkennungsverfahren durchlaufen müssten. Wer in den Auslandseinsatz geschickt werde, sei sicherlich gesund gewesen. Daher müsse eine Traumatisierung zügig als Einsatzverwundung anerkannt und behandelt werden.

Defizite listete Königshaus schließlich noch bei Ausbildung und Ausrüstung auf. Zwar habe sich die Ausstattung mit geschützten Fahrzeugen in Afghanistan deutlich gebessert, doch fehle es noch an Fähigkeiten beispielsweise zur Minenberäumung. Auch die Ausbildung im Heimatland dürfe nicht durch ungenügende Ausstattung mit Waffen und Munition erschwert werden.

Denn vollständigen Bericht des Wehrbeauftragten finden Sie unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/084/1708400.pdf

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