Bericht der Bundesregierung:Ohne Privatvorsorge droht Altersarmut

Finanziell geht es Rentnern in Deutschland "überwiegend gut". So steht es im Alterssicherungsbericht der Bundesregierung. Doch die Autoren warnen: Ohne private Vorsorge werden in Zukunft mehr Senioren in Armut leben.

Thomas Öchsner, Berlin

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Große Unterschiede bei der Rente: Ehepaare verfügen über fast doppelt so viel Geld wie alleinstehende Frauen.

(Foto: SZ Grafik/ Michael Mainka)

Trotz der teilweise niedrigen gesetzlichen Altersbezüge sind die allermeisten Rentner in Deutschland "überwiegend gut versorgt". Das stellt der fünfte Alterssicherungsbericht der Bundesregierung fest, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Demnach verfügen Ehepaare und Alleinstehende, die 65 Jahre oder älter sind, im Durchschnitt über ein Haushaltseinkommen von 1818 Euro netto im Monat.

Dabei gibt es aber große Unterschiede: Alleinstehende Frauen haben mit durchschnittlich 1292 Euro eher weniger Geld zum Ausgeben. Bei männlichen Singles sind es schon 1560 Euro, bei Ehepaaren sogar 2433 Euro. Der Bericht, den das Bundesarbeitsministerium alle vier Jahre erstellt, ist Anfang der Woche zur Abstimmung in die anderen Ressorts verschickt worden. Er liefert neuen Stoff für die Diskussion um die richtigen Rezepte im Kampf gegen Altersarmut.

Aus dem 263 Seiten starken Regierungsdokument geht hervor, dass die gesetzliche Rente für die Versorgung der alten Menschen immer noch die größte Bedeutung hat. Etwa die Hälfte der Generation 65 plus profitiert aber bereits von betrieblicher oder privater Vorsorge. Ihre privaten Renten belaufen sich in den alten Ländern auf immerhin 557 Euro (Ehepaare) oder 371 Euro (Alleinstehende) im Monat. Außerdem kann jedes dritte Ehepaar und jeder vierte Alleinstehende Zinsen von der Bank kassieren. Bei Verheirateten im alten Bundesgebiet sind das durchschnittlich 338 Euro im Monat, bei Singles 175 Euro.

Üppige Mieteinkünfte

Nicht berücksichtigt ist bei den Zusatzeinkünften der Wohnwert einer selbst genutzten Immobilie, in der im Westen weit mehr als die Hälfte aller Senioren leben. Mieteinkünfte fließen dagegen ins Gesamteinkommen ein, und die sind recht üppig: Im gesamtdeutschen Durchschnitt erzielen Senioren-Ehepaare so monatlich 1043 Euro, Alleinstehende 713 Euro.

Das Zahlenwerk beruht auf der Erhebung "Alterssicherung in Deutschland". Dafür hat die Firma TNS Infratest Sozialforschung im Jahr 2011 fast 28 000 Personen befragt und deren Angaben auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet. In dem Bericht heißt es dazu: Vergleiche mit anderen Statistiken legten die Vermutung nahe, dass "insbesondere die Einkommen aus Vermögen von den befragten Personen tendenziell zu niedrig angegeben wurden".

Außerdem wird in der Regierungsanalyse ausdrücklich davor gewarnt, sich nur auf die Durchschnittswerte zu stützen. So merken die Verfasser an, dass "im untersten Einkommenszehntel Frauen überrepräsentiert sind". Auch hätten ehemals Selbständige "auffällig oft niedrige Einkommen". Diese Gruppe sei "etwa doppelt so häufig auf Grundsicherung angewiesen wie ehemals abhängig Beschäftigte".

Armut auch bei langjähriger Erwerbsbiografie

Derzeit müssen nur 2,5 Prozent der mehr als 65-Jährigen von dieser staatlichen Hilfe leben. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) fürchtet, dass diese Quote deutlich wächst, wenn die Bundesregierung nichts unternimmt. Sie will deshalb Geringverdiener und Selbständige in Zukunft besser absichern. Wie dies am besten geschehen soll, ist in der schwarz-gelben Koalition umstritten. Am Wochenende wollen Spitzenpolitiker von Union und FDP versuchen, eine Lösung zu finden.

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"Selbst Geringverdiener, die jahrzehntelang in das Rentensystem eingezahlt haben, werden am Ende ihres Erwerbslebens kein auskömmliches Einkommen aus der Rente haben", steht im Bericht der Bundesregierung.

(Foto: dapd)

In dem Bericht lässt von der Leyen erneut vor einer zunehmenden Altersarmut warnen. Die Senkung des Rentenniveaus von derzeit 51 auf 43 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns im Jahr 2030 führe "insbesondere bei Geringverdienern zu einem steigenden Altersarmutsrisiko, auch für Personen mit langjährigen Erwerbsbiografien", schreiben die Beamten. Und weiter heißt es: "Selbst Geringverdiener, die jahrzehntelang in das Rentensystem eingezahlt haben, werden am Ende ihres Erwerbslebens kein auskömmliches Einkommen aus der Rente haben."

Gerade diese Gruppe sorgt laut der Studie bislang zu wenig vor: So haben von den gut 4,2 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit einem Bruttolohn von weniger als 1500 Euro 1,8 Millionen weder eine betriebliche Altersversorgung noch einen Riester-Vertrag. Mehr als zwei Drittel von ihnen sind Frauen.

Geringeres Interesse an betrieblicher Altersversorgung

Das Arbeitsministerium sieht es daher mit Sorge, dass das Interesse an einer Zusatzversorgung nicht mehr so stark wächst. Die Bereitschaft der Arbeitnehmer, eine betriebliche Altersversorgung abzuschließen, habe "deutlich an Schwung verloren". Bei den neu abgeschlossenen Riester-Verträgen habe sich der Zuwachs mit nur noch 200.000 neuen Verträgen im ersten Halbjahr 2012 ebenfalls "abgeflacht". Auch sei in kleinen Betrieben mit bis zu zehn Mitarbeitern die betriebliche Vorsorge nur halb so gut verbreitet wie im Durchschnitt aller Betriebe.

Trotzdem wagt das Ministerium einen optimistischen Ausblick: Es rechnet damit, dass das Netto-Versorgungsniveau der zukünftigen Rentner langfristig leicht steigen wird. Dies gelte besonders für Versicherte mit Kindern. Sie profitierten von den Kinderzulagen bei der Riester-Rente und der besseren Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung. Ohne zusätzliche Altersvorsorge werde das Versorgungsniveau in den kommenden Jahren jedoch "deutlich zurückgehen".

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