Benedikt XVI. in Israel:Gebet an der Klagemauer

Am zweiten Tag seiner Israel-Reise besucht Benedikt XVI. den muslimischen Felsendom und betet an der jüdischen Klagemauer - der Erwartungsdruck ist nach seiner umstrittenen Rede in Jad Vaschem hoch.

Papst Benedikt XVI. hat bei einem Besuch auf dem Tempelberg in Jerusalem zu einem Dialog zwischen den Religionen aufgerufen. Die "Missverständnisse und Konflikte der Vergangenheit" müssten überwunden und der "Weg eines ernsthaften Dialogs" eingeschlagen werden, sagte der Papst nach einem Besuch des Felsendoms. Benedikt XVI. besuchte als erstes Oberhaupt der katholischen Kirche das muslimische Heiligtum.

Benedikt XVI. in Israel: Papst Benedikt XVI. an der Klagemauer.

Papst Benedikt XVI. an der Klagemauer.

(Foto: Foto: AFP)

Benedikt XVI. wurde vom Großmufti von Jerusalem, Mohammed Hussein, empfangen. Den muslimischen Gewohnheiten folgend, zog sich Papst Benedikt XVI. die Schuhe aus, bevor er die Moschee im Ostteil der Stadt betrat. Hussein forderte den Papst auf, sich für ein Ende der "Aggression" Israels gegen die Palästinenser einzusetzen.

Im Anschluss betete der Papst lange schweigend an der Klagemauer, der wichtigsten religiösen Stätte der Juden. Es war ein Höhepunkt der Pilgerreise des deutschen Papstes in Israel, der mit ernstem Gesicht - jüdischen Gepflogenheiten folgend - einen Zettel mit einem Gebet in eine Lücke der Klagemauer steckte. Nach Angaben des Vatikans bittet Benedikt darauf Gott um Frieden in der Welt: "Schicke Deinen Frieden in das Heilige Land, in den ganzen Nahen Osten und die gesamte Menschheit."

Beim Besuch der Klagemauer hatte auch Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. vor neun Jahren ein Gebet gelesen. Er bat darin um Vergebung für das Leid, das Christen im Lauf der Geschichte Juden zugefügt haben. Johannes Paul II. hatte beim damaligen Besuch als erster Papst die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem in Jerusalem besucht.

Der Papst war am Montag bei seiner Nahostreise zu einem mehrtägigen Besuch in Israel und den Palästinensergebieten eingetroffen und hatte zunächst in der Gedenkstätte Jad Vaschem der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Seine Rede dort löste gestern kontroverse Debatten aus und erhöhte den Erwartungsdruck auf sein Verhalten im Laufe der weiteren Reise.

"Er gehörte zu ihnen"

Auch am Dienstag ebbte die Kritik an Benedikts Auftritt vom Vortag nicht ab. Der israelische Parlamentspräsident Reuven Rivlin rügte Benedikt XVI. im israelischen Rundfunk mit den Worten: "Er kam und sprach zu uns, als ob er ein Historiker wäre, jemand, der von der Seitenlinie zuschaut". Er fügte hinzu: "Und was soll man da machen? Er gehörte zu ihnen".

"Mit allem Respekt für den Heiligen Stuhl, wir können nicht die Bürde ignorieren, die er trägt als ein junger Deutscher, der der Hitlerjugend beitrat und als Person, die in Hitlers Armee eintrat", so Rivlin weiter.

Der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, verteidigte indes Papst Benedikt XVI. gegen aktuelle Kritik aus Israel und vom Zentralrat der Juden. "Ich finde, dass die Diskussion nicht wirklich die Stimmung im Lande wiedergibt. Im allgemeinen kommt der Papst in der Bevölkerung sehr gut an. Und er sagt auch das Richtige", sagte Primor dem Nachrichtensender N24.

Allerdings leide Benedikt ein bisschen darunter, dass er mit seinem Vorgänger Johannes Paul II. verglichen wird, "der selber in Polen unter der deutschen Besatzung gelitten hat, der alles, was wir durchlebt haben, selber durchlebt hat. Das war emotionaler."

Die Rede Benedikts in Jad Vaschem bezeichnte Primor als gelungen, wenn auch einiges hätte anders formuliert werden können. "Insgesamt war seine Rede hervorragend. Er hat wirklich die richtigen Sachen gesagt. Ob etwas fehlte? Ja, es wäre vielleicht richtig gewesen, hätte er Nazi-Deutschland erwähnt, statt nur zu sagen, dass viele Juden umgekommen sind", sagte Primor. "Erstens hätte er sagen sollen, dass sie ermordet worden sind. So hat es Johannes Paul II. gesagt. Und er hätte sagen sollen, wer das getan hat. Das war ja nicht irgendjemand aus dem All."

Am Mittwoch plant der Papst den Besuch eines Flüchtlingslagers in den Palästinensergebieten. Israel ist die zweite Station seiner Nahost-Reise, die Benedikt XVI. am Freitag in Jordanien begann.

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