Benedikt XVI. in Großbritannien:Die Demut des Papstes

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Die Kritik an der katholischen Kirche wird in England mit keifendem Eifer vorgetragen. Papst Benedikt tat gut daran, während seines Besuchs Demut zu zeigen. Fast unterwürfig verlangte er nur, gehört zu werden. Allein das war sensationell.

Wolfgang Koydl

Selbstgerechtigkeit, Heuchelei, Scheinheiligkeit - es war zu erwarten, dass der Besuch Papst Benedikts in Großbritannien einige der schlechteren menschlichen Charakterzüge zum Vorschein bringen würde, wenn auch eher bei seinen säkularen Gegnern. Denn deren Kritik an diesem Pontifex lässt sich letztlich auf einen einzigen gleisnerischen Kernvorwurf reduzieren: Wie erdreistet sich dieser Mann, für seinen Glauben und für seine Kirche zu werben? Und: Für wen spricht er eigentlich?

 Die Kritik in Großbritannien an Papst Benedikt lässt letztlich auf einen einzigen gleisnerischen Kernvorwurf reduzieren: Wie erdreistet sich dieser Mann, für seinen Glauben und für seine Kirche zu werben? (Foto: REUTERS)

Nun, man muss nicht daran glauben, dass das Oberhaupt der Kirche von Rom Stellvertreter Gottes auf Erden ist und hier unten für ihn spricht. Unbestritten ist jedoch, dass der Papst mehr als eine Milliarde Gläubige repräsentiert, ein Fünftel der Menschheit. Und viele würden es ihm sehr wohl übelnehmen, wenn er sich nicht für sie und ihre tiefsten Überzeugungen einsetzen würde.

Es war klar, dass Benedikts Besuch in Britannien schwieriger sein würde als eine Visite in vielen anderen Ländern. Immerhin ist dies das Land, in dem antikatholische Sentiments Teil der nationalen Folklore geworden sind wie Tee mit Milch, Cricket und gerollte Regenschirme. Dies ist das Land, in dem ein Katholik noch immer weder Staatsoberhaupt noch Regierungschef werden darf, in dem es erwähnenswert ist, wenn der Chef der BBC katholisch ist, und in dem bei Fußballspielen nicht nur der Schiedsrichter oder der gegnerische Mittelstürmer geschmäht wird, sondern gern auch mal die Jungfrau Maria.

Doch abgesehen von einigen Fossilien aus dem politischen Paläolithikum wie dem nordirischen Pastor Ian Paisley gab es von protestantischer Seite keine nennenswerten Proteste. Gewiss: Das Werben Roms um konservative Anglikaner hat die Kirchenführung um den Erzbischof von Canterbury verstimmt. Doch die verbindenden Elemente beider Glaubensgemeinschaften überwiegen bei weitem das Trennende, ganz zu schweigen von der persönlichen Freundschaft, die den Anglikaner Rowan Williams mit Benedikt verbindet.

Kein Schisma spaltet die Denominationen; der Riss verläuft zwischen Gläubigen auf der einen und Säkularen auf der anderen Seite. Mitunter wird ihr Konflikt mit der lodernden Inbrunst eines geradezu mittelalterlichen Glaubenskampfes ausgetragen - wobei die vermeintlich aufgeklärte, rationale Seite es oft an Vernunft mangeln lässt. Ob es in Großbritannien mehr Säkulare gibt als in vergleichbaren Ländern, sei dahingestellt; sicher ist, dass laizistische Stimmen hier prominenter und vernehmbarer sind als anderswo. Angeführt werden sie von dem Oxforder Biologen und Bestsellerautor Richard Dawkins, der seinen Atheismus zuweilen mit einem fast schon päpstlich anmutenden Unfehlbarkeitsanspruch vorträgt. Sein Urteil über Papst und Kirche lässt sich knapp zusammenfassen: arrogant, intolerant und ignorant.

Was Dawkins freilich nicht zu wissen scheint: In ihrer zweitausendjährigen Geschichte hat die katholische Kirche nicht nur das Laster der Hoffart erlernt, sondern auch die Tugend der Demut. Und Demut war es, die Papst Benedikt während seines Aufenthalts bei den Briten demonstrierte. Bescheiden, höflich und fast ein wenig unterwürfig schien er für seinen Glauben und seine Kirche nicht mehr zu verlangen, als auch gehört zu werden - als eine von vielen Stimmen in einem Chor verschiedenster Bekenntnisse. Intolerant, so ließ er anklingen, sei nicht die Kirche, sondern ihr säkularer Gegner, der die Religion zunehmend marginalisiere und mundtot machen wolle.

Diese Worte waren nicht nur sensationell, weil sie von einem Mann ausgesprochen wurden, der einmal die Nachfolgeorganisation der Heiligen Inquisition leitete. Zugleich gelang es Benedikt damit, an das Gefühl für Fairness zu appellieren, auf das sich die Briten über alle religiösen und sonstigen Gegensätze hinaus zu Recht sehr viel zugutehalten. Mächtig ist die katholische Kirche in England schon lange nicht mehr, und die mit keifendem Eifer vorgetragene und zuweilen hasserfüllte Kritik an ihr lässt manche Kritiker als Schulhof-Bullys erscheinen, die nahezu wehrlose Schüler triezen.

Denn eindeutig zielen die vorgeblich gegen alle Religionen gerichteten Attacken letztlich nur aufs Christentum und die katholische Kirche. Sicher, deren Weigerung etwa, Frauen zu ordinieren, ist töricht und kritikwürdig. Aber wenn im Islam Frauen gesteinigt werden, schweigen Britanniens Atheisten. Und als der britische Physiker Stephen Hawking jüngst keine Indizien für Gott beim Urknall fand, wurde das als Ohrfeige für die Christen bejubelt. Allah, Jahwe und der am Euter der Riesenkuh Audumla genährte nordische Schöpfergott Ymir, darf man wohl schließen, passen also weiter in das physikalische Weltbild.

Aber vielleicht liegt es ja daran, dass die Kirche von Rom niemanden mehr schreckt und ein wohlfeiles Opfer geworden ist. Dann freilich würde sich zu den Charakterschwächen der Kritiker noch eine hinzu gesellen: Feigheit. Das ist schade. Denn Benedikt hat seinerseits Mut bewiesen - mit dem Eingeständnis der "unsäglichen Verbrechen" des Kindsmissbrauchs ebenso wie mit dem Gesprächsangebot an die säkulare "Welt der Vernunft". Die sollte darauf eingehen.

© SZ vom 20.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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